Neulateinforschung zwischen Vergangenheit und Zukunft

LBI für Neulateinische Studien (bis 12/2024)

Nach 14 Jahren internationaler Spitzenforschung schloss das LBI für Neulateinische Studien Ende 2024 seine Pforten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: prestigeträchtige Karrieresprünge von Mitarbeiter:innen, Publikationen im dreistelligen Bereich, ein erfolgreiches Fellowship-Programm, PR von Österreich bis Japan und zusätzlich eingeworbene Millionen an Drittmitteln. Die Zukunft ist dank eines FWF-Spezialforschungsbereiches gesichert.

Nach 14 Jahren erfolgreicher Spitzenforschung wird das Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Studien in das Institut für Klassische Philologie und Neulateinische Studien der Universität Innsbruck integriert.

Die Geschichte der neulateinischen Studien in Innsbruck begann bereits zu Beginn des Jahrtausends mit diversen kleineren Projekten. Federführend war dabei Karlheinz Töchterle, Professor für Klassische Philologie und späterer Bundesminister für Wissenschaft und Forschung. Spätestens mit dem von 2002 bis 2009 laufenden Projekt „Tyrolis Latina“ hatte man Blut geleckt. Die involvierten Forschenden – darunter Florian Schaffenrath und Lav Šubarić, Leiter und Stv. Leiter des LBI Neulatein – erkannten das Potenzial, das die neulateinische Literatur barg und machten sich mit großem Enthusiasmus daran, mit den neulateinischen Studien eine neue Forschungsnische innerhalb der Latinistik zu etablieren.

Anfang 2011 war es schließlich so weit: Das LBI Neulatein lief an und mit ihm eine Reihe von Projekten aus den Bereichen der frühneuzeitlichen Politik-, Religions- und Mentalitätsgeschichte. Parallel dazu setzten die beteiligten Wissenschaftler:innen wesentliche Impulse, um im Zuge der damaligen fachpolitischen Umwälzungen Neulatein auch in den österreichischen Lehrplänen für Latein zu verankern.

 

Im Lauf der Jahre avancierte das LBI Neulatein zum Big Player innerhalb der noch jungen Disziplin der neulateinischen Studien. Der Impact, den die Forschung des gesamten Teams in 14 Jahren unermüdlicher Arbeit hinterließ, wird die Forschungscommunity noch über Jahre hinweg prägen und die mittel- und langfristige Ausrichtung des Faches mitbestimmen. Doch nicht nur darauf ist Leiter Florian Schaffenrath stolz. Zu seinen persönlichen Highlights zählen herausragende Publikationen wie Martin Korenjaks 2016 erschienene Geschichte der neulateinischen Literatur, die die Bedeutung und Dimension der neulateinischen Literatur erstmals einer breiteren Leserschaft zuführte; spektakuläre Buchpräsentationen wie jene im TirolBerg bei den FIS Alpinen Ski Weltmeisterschaften 2017 in St. Moritz; sowie die Tatsache, dass zahlreiche Jungwissenschaftler:innen am LBI Neulatein groß geworden sind und den Absprung auf Lehrstühle geschafft haben.

Da die Universität Innsbruck von Beginn an als zentrale Partnerinstitution fungierte, wurde dort ab 2018 sukzessive das LBI Continuation Concept implementiert. Bereits vor der großen Zwischenevaluierung 2017 konnte mit der Universität Innsbruck eine Vereinbarung über die Vergrößerung des Institutes für Sprachen und Literaturen (heute: Institut für Klassische Philologie und Neulateinische Studien) getroffen werden, in deren Rahmen zusätzliche Stellen geschaffen wurden. Da das LBI Neulatein im letzten Jahr seines Bestehens aber noch immer durchschnittlich zwanzig Köpfe zählte, brauchte es ergänzende Maßnahmen, um die Fortsetzung der Innsbrucker Neulatein-Forschung zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wurde von 2022 bis 2024 am LBI ein Konzept für einen Spezialforschungsbereich des FWF ausgearbeitet, der jüngst bewilligt wurde.

Dieser SFB trägt den Titel „Neo-Latin in the Modern World“ und schließt in sowohl struktureller als auch inhaltlicher Hinsicht nahtlos an das LBI Neulatein an. Strukturell gibt es eine große Idee als Überbau, der sieben Teilprojekte untergeordnet sind. So gesehen profitierte das SFB-Team rund um Florian Schaffenrath bei der Antragstellung von der langjährigen LBI-Arbeit, zumal sich das Team zur Gänze aus ehemaligen LBI-Mitarbeitenden zusammensetzt. Inhaltlich konzentriert sich die Forschung des SFB nach der Phase des Überblicks am LBI auf tiefergehende philologische und sozialgeschichtliche Analysen in den verschiedenen Bereichen der frühneuzeitlichen Gesellschaft.

„Wesentlich zum Erfolg des SFB beitragen werden außerdem“, so Florian Schaffenrath, „die Digital Humanities, die angesichts der unfassbaren Textmengen, mit denen man sich in den neulateinischen Studien (etwa im Vergleich zu den klassischen Lateinstudien) konfrontiert sieht, ein wahrer Game-Changer sind.“ Die neuen Technologien – von Named-Entity Recognition (NER) bis hin zu Large Language Models (LLM) – werden massiv dazu beitragen, große Textdaten zu sammeln, zu verwalten und zu untersuchen. Über den digitalen Ansatz bleiben im Übrigen sämtliche Teilprojekte untereinander verbunden und arbeiten sich gegenseitig zu.

Die Leitung des SFB wird ebenfalls im Sinne der Kontinuität Florian Schaffenrath innehaben. Als SFB-Leiter wird er die sieben Teilprojekte koordinieren, während er gleichzeitig als Principal Investigator einem der sieben Teilprojekte vorsteht. Da die bewilligten Finanzmittel sogar über jene des LBI Neulatein hinausgehen, wird im Zuge der Forschungsarbeit auch neues Personal an das Institut in Innsbruck kommen. Somit können die bereits etablierten Forschenden ihre erworbene Erfahrung aus 14 Jahren Neulatein direkt an die nächste Generation von Neulateiner:innen weitergeben. Als „besonders glückliche Fügung“ bezeichnet Florian Schaffenrath übrigens die Tatsache, dass mit Stefan Tilg auch Schaffenraths Vorgänger als deutscher Projektpartner bzw. Teilprojektleiter am SFB mitwirken wird. Tilg war von 2011 bis zu seinem Ruf an den Latinistik-Lehrstuhl der Universität Freiburg i.Br. 2014 Leiter des LBI Neulatein.

Im Nachgang von 14 Jahren Neulateinforschung lässt es sich Schaffenrath nicht nehmen, offene Abschlussworte für die Leistung der vergangenen Jahre zu finden. Es sei „beachtlich, dass ein Forschungsgebiet wie Neulatein es geschafft hat, sowohl ein LBI als auch einen hochkompetitiven SFB innerhalb so kurzer Zeit einzuwerben. Dies spricht für das enorme Potenzial der Geisteswissenschaften, neue Wege zu eröffnen. Gleichzeitig ist es bedauerlich, dass sich die LBG künftig ausschließlich auf die Health Sciences fokussieren möchte, in denen Sichtbarkeit und international herausragende Resultate mit den zur Verfügung stehenden Mitteln oft schwerer zu erreichen sind.“ Der Stolz auf das Erreichte verbindet sich bei Schaffenrath also mit der Sorge, dass den Geisteswissenschaften in Österreich in Zukunft die ‚Option Boltzmann‘ fehlen wird. Das LBI Neulatein hat sich neben anderen geisteswissenschaftlichen LBIs auf der Landkarte der internationalen Forschung verewigt. Dieser Wert für die Marke LBG sollte nicht unberücksichtigt bleiben. Die Möglichkeiten, die die LBG ihren LBIs bietet – von der Personalhoheit über die Budgethoheit hin zur Administrationseffizienz –, stellen für die Leiter:innen und Forschenden einen unglaublichen Gestaltungsfreiraum dar, in dem sich Forschung gerade auch in den Geisteswissenschaften ideal betreiben lässt.

Highlights

Finale Tagung des LBI Neulatein

Unter dem Titel "Per limina: Printed Paratexts and the Intellectual Networks of Humanism (15th–18th c.)" untersuchten die Teilnehmer:innen der von Domenico Graziano und Lukas Spielhofer organisierten Tagung die Rolle von Paratexten in frühneuzeitlichen Drucken. Den Abendvortrag hielt die renommierte Harvard-Professorin Ann Blair. Um der 'letzten' Veranstaltung unseres LBI gerecht zu werden, gab es im Rahmen der Tagung einen Empfang, bei dem uns zahlreiche Honoratioren die Ehre gaben.

Gratulation zur Professur!

Einen besonderen Karrieresprung gab es für unseren Mitarbeiter Dr. Valerio Sanzotta zu feiern: Er wurde als Professore Ordinario an die sehr bekannte Università Telematica Pegaso berufen. Sein altes Institut ist stolz auf ihn!

Ausgewählte Publikationen

Acta Conventus Neo-Latini Lovaniensis. . Schaffenrath, Florian / Sacré, Dirk (Hg.)

Proceedings of the Eighteenth International Congress of Neo-Latin Studies, Leiden 2024.

Johannes Sambucus: Epistulae.. Almási, Gábor / Subaric, Lav (Hg.)

Turnhout 2024.

Cicerone nella Basilea della Riforma. I commenti e le edizioni di Celio Secondo Curione, in: Scheidegger Laemmle, Cédric (Hg.): Cicero in Basel. Locating Classical Reception in a Humanist City.. Rossetti, Federica

Berlin/Boston 2024.

Das Team

The LBI for Neo-Latin Studies was founded in 2011 and has now reached its natural end after a period of twice seven years. Our team has had a lot of fun and joy pursuing Neo-Latin studies under this banner. We would like to thank everyone who has worked with us: it has been an honour. Neo-Latin studies will continue in Innsbruck at the Institut für Klassische Philologie und Neulateinische Studien.

Assoz. Prof. Dr. Florian Schaffenrath

Leitung (bis 12/2024)

Assoz. Prof. Dr. Florian Schaffenrath

Leiter

Univ.-Ass. Mag. Dr. Lav Šubarić

Stv. Leiter

2
Key-Researcher:innen
7
Postdocs
6
PhD-Student:innen/Dissertant:innen
1
Wissenschaftliches Forschungspersonal
2
Administratives Personal

Partner

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (DE)
Österreichische Nationalbibliothek (AT)
Pontificio Comitato di Scienze Storiche (VA)
Universität Innsbruck (AT)
Stand: Mai 2024

Wissenschaftlicher Beirat

Prof. Sarah Knight, PhDUniversity of Leicester (GB)
Univ.-Prof. Dr. Henk J. M. NellenHuygens Institute Den Haag (NL)
Univ.-Prof. Dr. Dirk SacréKatholieke Universiteit Leuven (BE)
Univ.-Prof. Dr. Robert SeidelJohann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (DE)
Univ.-Prof. Dr. Hermann WiegandRuprecht-Karls-Universität Heidelberg (DE
Stand: Dezember 2024
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