Nachhaltige Rechtsstaatlichkeit in Nordmazedonien

LBI für Grund- und Menschenrechte

Das Projekt „EU-Unterstützung für Rechtsstaatlichkeit in Nordmazedonien“ ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg Nordmazedoniens zu einem möglichen EU-Beitritt. Mit Blick auf Anwendungsorientierung wird dabei in Zusammenarbeit mit einem europäischen Projektkonsortium und lokalen Akteur:innen in Nordmazedonien nicht nur Politikberatung betrieben, sondern es werden vor Ort auch nachhaltige Maßnahmen im Hinblick auf die Prinzipien europäischer Rechtsstaatlichkeit implementiert. Was zähle, sei der Impact, berichtet Agnes Taibl im Gespräch.

Bei der Arbeit mit den staatlichen Institutionen sind Feingefühl und Flexibilität gefragt, um sinnvolle nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

Im Fokus der derzeitigen EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien liegt die Anpassung des Landes an die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Standards der EU. Die Verhandlungen bieten Nordmazedonien die Möglichkeit, tiefgreifende Reformen umzusetzen, die sowohl die nationale Entwicklung fördern als auch die Beziehungen zur EU weiter festigen. Der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit kommt dabei besondere Bedeutung zu. Ein Projektteam des LBI für Grund- und Menschenrechte ist genau zu diesem Zweck im Einsatz.

Das von Agnes Taibl koordinierte Projekt „EU-Unterstützung für Rechtsstaatlichkeit in Nordmazedonien“ besteht aus insgesamt vier Mitarbeiter:innen in Wien, 28 Mitarbeiter:innen in Nordmazedonien und über 100 Kurzzeitexpert:innen, die die Arbeit vor Ort unterstützen. Finanziert wird das über 42 Monate laufende Projekt mit einem Gesamtbudget von 10,25 Millionen Euro, das die EU aus dem IPA-Topf (Instrument for Pre-Accession Assistance) zur Verfügung stellt. Ziel dieses Instruments ist, zukünftige Mitgliedsstaaten fit für die EU zu machen. Konkret geht es Taibl und ihrem Team darum, anwendungsorientiert relevante Institutionen in Nordmazedonien im Hinblick auf rechtsstaatliche Garantien und Standards zu stärken. Zu den kooperierenden Institutionen gehören dabei u.a. staatliche Einrichtungen wie Ministerien, die Richter:innenakademie, die Polizei sowie unabhängige Institutionen wie die Ombudseinrichtung, die Gleichbehandlungs- und die Antikorruptionskommission.

Die lange Projektlaufzeit gibt dem von Dieter Schindlauer geführten Projektteam in Skopje die Möglichkeit, zentrale Prozesse langfristig zu begleiten. Dabei setzt man in der Projektarbeit auf vier Schwerpunkte, die den Interessen und Werten der EU folgen: Die Projektkomponente Strengthening Justice Capacities for Transparency and Accountability konzentriert sich auf Institutionen der Gerichtsbarkeit und zielt auf die Steigerung der Transparenz bei offiziellen Ernennungen und Gerichtsfällen ab. Die Komponente Empowering Law Enforcement for the Battle against Organized Crime widmet sich der Prävention, Ermittlung und Verfolgung von organisierter Kriminalität, um etwa illegale Geldflüsse, Cybercrime und Menschenhandel zu unterbinden. In der Komponente Improve the Prevention and Fight against Corruption werden gemeinsam mit der staatlichen Antikorruptionskommission Lücken im bestehenden System (etwa im Bereich des Lobbyismus) geschlossen. Die Komponente Enhance the Protection of Fundamental Rights fördert den Schutz der Menschenrechte und insbesondere auch der Kinderrechte, indem relevante Institutionen vernetzt, die Bewährungshilfe gestärkt und Maßnahmen gegen Gewalt und Diskriminierung von Frauen entwickelt werden.

Obwohl sich das Projekt erst in der Halbzeit befindet, wurden bereits konkrete Veränderungen angestoßen. Anschauliche Ergebnisse aus dem Jahr 2024 liegen neben den Bereichen Justizreform und moderne Ermittlungsmethoden in den Bereichen 1) Kinderrechte, 2) Cybercrime und 3) Bewährungshilfe vor:

1) Ein nationaler Aktionsplan zu Kinderrechten fehlte seit dem Auslaufen des vorherigen Aktionsplans im Jahr 2015 komplett. Mithilfe partizipativer Methoden und in offenem Dialog wurde in gezielten Arbeitsgruppen gemeinsam mit Kindern und Vertreter:innen verschiedener Institutionen und Ministerien eine Reihe von Best Practices und Themenschwerpunkten ermittelt. Der fertige Entwurf des neuen Nationalen Aktionsplans wurde im November 2024 vorgelegt und muss nun noch von der Regierung offiziell angenommen werden.

2) Es wurde eine umfassende Cybercrime-Strategie entworfen, mit der Onlinebetrug, illegale Finanzflüsse und Bewegungen im Darknet eingedämmt werden sollen. Daneben sieht die Strategie ein effektives Strafrechtssystem, bessere Früherkennung und Prävention sowie mehr öffentliche Sensibilisierung und Resilienz gegenüber Cyberbedrohungen vor.

3) In Sachen Bewährungshilfe konnten durch das Team rund um Komponentenleiterin Barbara Liegl auf Basis eines eigenen internen Ausbildungsprogramms (Training-of-Trainers) die Kompetenzen der Bewährungshelfer:innen in ihrer täglichen Arbeit mit unterschiedlich herausfordernden Klient:innen gestärkt werden. Auch die aus Bewährungshelfer:innen bestehende Öffentlichkeitsarbeitsgruppe wurde bei der Entwicklung einer Kommunikationsstrategie und der Stärkung ihrer Außenkommunikation unterstützt. Mithilfe des Projekts ist die Zahl der Anwendungsfälle von Bewährungshilfe im letzten Jahr um über 60 % angestiegen.

Bei der Arbeit mit den staatlichen Institutionen sind Feingefühl und Flexibilität gefragt, um sinnvolle nachhaltige Ergebnisse zu erzielen. „Der Erfolg des Projekts sowie die Umsetzung der Reformen liegen letztlich in der alleinigen Verantwortung der Institutionen in Nordmazedonien. Wenn unsere Vorschläge auch wirklich umgesetzt werden sollen, müssen wir diese in enger Abstimmung mit unseren Partnern vor Ort entwickeln“, betont Taibl.

Damit spricht Taibl einen weiteren wesentlichen Punkt der Projektarbeit an: den Fokus auf die nachhaltige Implementierung der entwickelten Maßnahmen. Diese Maßnahmen müssen jetzt schon so gut im System verankert werden, dass die Prozesse auch nach Abschluss des Projekts glatt weiterlaufen. Dazu wird ein „Exit-Plan“ erarbeitet, der eine genaue Übergabe bestimmter Kompetenzen an bestimmte Institutionen vorsieht. „Wirklichen Impact können wir nur dann erzielen, wenn die Benchmarks der Rechtsstaatlichkeit im europäischen Sinn langfristig und uneingeschränkt erreicht werden“, so Taibl. „Positive Veränderungen in staatlichen Institutionen tragen schließlich entscheidend dazu bei, dass die Menschenwürde einer und eines jeden Einzelnen respektiert und besser geschützt wird.“

Was Taibl als Projektleiterin bei der erfolgreichen Umsetzung des Projekts hilft, ist die Programmlinien-übergreifende Arbeit am LBI für Grund- und Menschenrechte. Nicht nur die Expertise des gesamten Instituts, sondern gerade auch der Ansatz der Translational Research lassen sich gewinnbringend für das Gelingen des Projekts nutzen. Während im Projekt selbst in erster Linie punktuell geforscht wird, fließen die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der allgemeinen Grundlagenforschung des LBI gezielt in die praktische Beschäftigung mit und in Nordmazedonien ein. Gleichzeitig können aus der Praxis wieder neue Ideen für die zukünftige Grundlagenforschung am Institut generiert werden.

Highlights

Institutsklausur 2024

Regen Austausch gab es bei der jährlichen Institutsklausur des LBI-GMR Ende Mai 2024 im VinziRast-Dachatelier. Auf dem Programm standen ein Rückblick auf das sehr erfolgreiche Evaluierungsjahr 2023, strategische Überlegungen für die nächste Forschungsperiode und viele Antworten auf die Frage: „Warum arbeiten wir gern am LBI-GMR?“

Human Rights Talk „Menschenrechte unter Druck“

Im Vorfeld und anlässlich der österreichischen Nationalratswahl 2024 diskutierten die Menschenrechtssprecher:innen der Parlamentsparteien in der Roten Bar des Wiener Volkstheaters über aktuelle menschenrechtliche Herausforderungen und potenzielle Zukunftspfade der Menschenrechtspolitik in Österreich. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage, wie die Politiker:innen etwa mit den Themen Klimawandel, Frauenrechte, Medienfreiheit und Migration umgehen und welche Lösungsansätze sie vertreten.

Buchpräsentation „The Oxford Handbook of LGBTI Law“

Wie können Menschenrechte im 21. Jahrhundert für alle Menschen gleichermaßen garantiert werden – unabhängig von deren sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität? Dieser Frage widmet sich das „Oxford Handbook of LGBTI Law“, herausgegeben vom wissenschaftlichen Direktor des LBI-GMR, Michael Lysander Fremuth, gemeinsam mit Andreas Ziegler und Berta Esperanza Hernández-Truyol. Vorgestellt wurde das Buch im Oktober 2024 an der Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights im Rahmen eines Symposiums und einer Paneldiskussion u.a. mit dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk.

Runder Tisch zum Tag der Kinderrechte in der Präsidentschaftskanzlei

Im Vorfeld des Internationalen Tages der Kinderrechte lud First Lady Doris Schmidauer am 18.11.2024 Kinderrechtsexpert:innen zum informellen Austausch in die Präsidentschaftskanzlei. Unser Kollege Helmut Sax stellte aktuelle Forschungsergebnisse des LBI-GMR vor und erläuterte Herausforderungen und Entwicklungen im Bereich der Kinderrechte. Besonders unterstrich der Kinderrechtsexperte die Bedeutung der Kinder- und Jugendpartizipation und sprach über zentrale Themen wie die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Stärkung der mentalen Gesundheit von Kindern.

Projektabschluss „FORMA – Lagebericht Zwangsverheiratung in Österreich“

Das multidisziplinäre Projekt setzte sich mit Zwangsverheiratungen in Österreich auseinander. Ein Forschungsteam bestehend aus Expert:innen der Caritas Wien, der Opferschutzeinrichtung Orient Express, der Universität Wien und dem LBI-GMR konnte zahlreiche Maßnahmen für effektiveren Opferschutz, Strafverfolgung und Prävention identifizieren. Als zentral hebt der Abschlussbericht u.a. eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Opferschutzeinrichtungen und Schulen sowie mehr Aufklärung und Bewusstseinsarbeit besonders bei jungen Menschen hervor. Das Projekt wurde im Rahmen des FFG-KIRAS Programms zur Sicherheitsforschung finanziert.

Ausgewählte Publikationen

International Criminal Law before Domestic Courts: The Role of National Criminal Justice in the Prosecution of International Core Crimes. . Fremuth, Michael Lysander / Sauermoser, Andreas / Stavrou, Konstantina

Bd. 3 der Schriftenreihe des LBI-GMR: Menschen.Rechte!, 2024

Der Klimawandel vor dem EGMR und die Grenzen der Menschenrechtskonvention. . Fremuth, Michael Lysander

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 15/2024. München [et al.]: Beck, 2024. pp. 697-705

Das BBU-Erkenntnis des VfGH – Interpretationen und Implikationen. . Reyhani, Adel-Naim

Blogpost, 13.02.2024. https://www.blogasyl.at/2024/02/das-bbu-erkenntnis-des-vfgh-interpretationen-und-implikationen/

Das Team

©Johanna Blimlinger

Meine Tätigkeit am LBI-GMR ermöglicht es mir nicht nur, mein Wissen zu erweitern, sondern dieses auch direkt in meiner Projektarbeit anzuwenden – Lernen und Tun gehen Hand in Hand. In unserer Programmlinie „(Un-)Gleichheit und Antidiskriminierung“ adressieren wir Herausforderungen substanzieller Ungleichheit und setzen Impulse, um Lebensrealitäten zum Positiven zu verändern. Das Institut bietet hierfür sowohl den nötigen Rahmen als auch Freiraum – und ein Umfeld interdisziplinärer Expertise, das immer wieder neue Gedanken anregt.

Wissenschaftliche MitarbeiterinMag.a Johanna Blimlinger, MA

Leitung

Univ.-Prof. Dr. Michael Lysander Fremuth

Wissenschaftlicher Leiter

Mag. Patricia Mussi-Mailer, MA

Administrative Leiterin

3
Key-Researcher:innen
4
Postdocs
6
PhD-Student:innen/Dissertant:innen
4
Wissenschaftliche Fachkräfte
5
Wissenschaftliches Forschungspersonal
6
Administratives Personal
1
Sonstiges Personal

Partner

Universität Wien (AT)
Stand: Mai 2025

Wissenschaftlicher Beirat

Prof. Dr. Martina CaroniUniversität Luzern (CH)
Prof. Dr. Rainer HofmannUniversität Frankfurt (DE)
Prof. Dr. Vasilka SancinUniversität Ljubljana (SL)
Stand: April 2025