Getrennt testen – vereint herausfinden
LBI für Kardiovaskuläre ForschungDas LBI für Kardiovaskuläre Forschung hat 2024 als eines von fünf ausgewählten Zentren in Europa einen sorgfältig abgestimmten Großtierversuch mit Schweinen durchgeführt und publiziert. Neben ermutigenden Ergebnissen zum wirksamen Herzmuskel- und Gefäßschutz bei einem Infarkt bereitet dieses Vorgehen den Weg für bessere translationale Studien mit weniger Tierversuchen.
Einen Beitrag im Journal „Basic Research of Cardiology“ zu veröffentlichen, ist an sich bereits eine Bestätigung für exzellente und sorgfältige Forschung. Das gelang im Oktober 2024 Forscher:innen an einer Handvoll ausgewählter Zentren in Österreich, Ungarn, den Niederlanden, Deutschland und Spanien – und zwar gemeinsam. Dass der anerkannte amerikanische Forscher Roberto Bolli von der University of Louisville, Kentucky einen „Letter to the Editor“ schrieb, um die Bedeutung der Ergebnisse zu unterstreichen, war eine weitere Auszeichnung.
Bruno Podesser, Herz-Kreislauf-Forscher und Herzchirurg, Attila Kiss, Herzphysiologe, und Mariann Gyöngyösi, experimentelle und klinische Kardiologin, alle von der Medizinischen Universität Wien, waren 2024 federführend an einer präklinischen Studie an Schweinen beteiligt. Es ging darum, die Wirksamkeit der sogenannten ischämischen Präkonditionierung (IPC) bei einem Herzinfarkt zuverlässig zu prüfen, um über den künftigen klinischen Einsatz zu entscheiden. Diese translationale Forschung muss mit der entsprechenden Stärke von Mitteln, Menschen und Material durchgeführt werden, um echte Fortschritte zu erzielen. Vielversprechende Ansätze aus einzelnen Laboren bleiben aufgrund unklarer Datenlage hier häufig stecken.
Bei einem Herzinfarkt wird der pumpende Herzmuskel durch einen Gefäßverschluss in einem bestimmten Areal nicht mehr mit Blut versorgt. Je größer das vom Blutfluss abgeschnittene Areal, die Area at Risk (AAR), desto schlechter stehen die Chancen auf ein gut arbeitendes Herz nach dem Infarkt. Denn zu lange unterversorgte Herzmuskelzellen sterben ab. Der Herzinfarkt ist in Europa immer noch Todesursache Nummer 1, was vor allem auf die Zeit bis zur Behandlung zurückzuführen ist. Ein Infarkt tötet akut, wenn der Weg ins nächste Krankenhaus mit einem Herzkatheterlabor zu lange dauert. Er tötet aber auch schleichend, weil rund 20 Prozent der Infarktpatient:innen binnen fünf Jahren eine Herzschwäche entwickeln.
In einem Herzkatheter-Labor wird der Gefäßverschluss idealerweise rasch geöffnet und das unterversorgte Areal wieder durchblutet (Reperfusion). Auf dem Weg in ein weit entferntes oder weniger gut ausgestattetes Krankenhaus kann das Rettungsteam – das war bereits bekannt – mit einer einfachen Blutdruckmanschette die Infarktgröße möglicherweise einschränken. Der Fachbegriff „ischämische Präkonditionierung“ (IPC) bedeutet, die Herzmuskelzellen auf einen verringerten Blutfluss zu trainieren oder vorzubereiten. Vereinfacht gesagt wird die Blutzufuhr in den Herzmuskel wiederholt mechanisch gestoppt und wieder zugelassen.
Seit 2017 sind die drei Forscher:innen Vertreter:innen Österreichs im europäischen COST-Netzwerk für Herzschutz. COST, kurz für European Cooperation in Science and Technology, verknüpft Forschungseinrichtungen in ganz Europa zu einem gemeinsamen Anliegen mit einem Plan für ein abgestimmtes Vorgehen. Das Ziel der Cardioprotection-COST-Plattform war, in präklinischen Einzelstudien bereits getestete, neue oder bewährte Ansätze zur Reduktion der Infarktgröße und zum Schutz des Herzmuskels sorgsam zu prüfen und in die klinische Praxis zu überführen. In diesem Zusammenhang lobte der amerikanische Kollege die Forscher:innen „für die gigantische Anstrengung, ein multinationales Forschungsnetzwerk aufzubauen, das Infarkt-schonende Strategien in einer rigorosen Weise und in klinisch relevanten Modellen testen wird. Diese Infrastruktur ist von entscheidender Bedeutung, um das Gebiet der Kardioprotektion voranzubringen und um Strenge und Nüchternheit in ein unterversorgtes Gebiet zu bringen, das diese Tugenden dringend benötigt.“
2024 wurden in dem dezentralen COST-Setting Infarkt und IPC als Intervention mit einem aufblasbaren Ballon in einer Koronararterie simuliert – die Versuchstiere standen dafür unter Narkose. Verglichen wurde die Infarktgröße mit und ohne Intervention (IPC) im Schwein an je zehn Tieren pro Standort. Indikator für die Wirksamkeit der protektiven Techniken war die Größe des Areals, in dem Muskelzellen abstarben. Überprüft wurde dies in Wien mittels eingefärbter Querschnitte durch das Herz. In anderen Laboren wurde das betroffene Areal mit Magnetresonanz bestimmt. Im Projekt IMproving Preclinical Assessment of Cardioprotective Therapies (IMPACT) konnte gezeigt werden, dass IPC die Infarktgröße im Vergleich zur Kontrolle signifikant reduziert.
Die jahrelange Vorbereitung des identen Versuchs an unterschiedlichen Standorten mit einem Modelltier, das sehr nah am menschlichen Organismus ist, hat sich gelohnt. Gemeinsam wurde ein abgestimmtes Protokoll für eine aussagekräftige präklinische Studie erarbeitet, um die Schwankungsbreite unterschiedlicher Standorte zu minimieren. Diese ist oft beträchtlich. Wenn in jedem Labor eine Spur anders gearbeitet wird, werden oft heterogene Ergebnisse erzielt. Die doppelblinde Studie mit einer IPC-Interventions- und einer Kontrollgruppe wurde mit insgesamt 50 männlichen und weiblichen Schweinen durchgeführt. Das gemeinsame Vorgehen und die etablierte Kooperation sind zukunftsweisend für die systematische Testung weiterer kardioprotektiver Interventionen. So können sinnvolle Maßnahmen schneller zu den Patient:innen kommen. Ein multizentrisches europäisches Netzwerk ist zudem in Einklang mit dem 3R-Prinzip, mit dem versucht wird, unnötige Tierversuche zu vermeiden (Replacement) sowie die Zahl der Tiere (Reduction) und ihr Leiden (Refinement) in Versuchen auf das unerlässliche Maß zu beschränken.
Highlights
80. Geburtstag des langjährigen Mitglieds des Leitungsgremiums des LBIs, Herrn Univ. Prof. Dr. Udo Losert
Der Höhepunkt des Jahres 2024 war für das LBI für Kardiovaskuläre Forschung die Feier anlässlich des 80. Geburtstags des langjährigen Mitglieds des Leitungsgremiums des LBIs, Herrn Univ. Prof. Dr. Udo Losert. In seiner Einführung zur Veranstaltung hob Univ. Prof. Bruno Podesser die Bedeutung des LBIs als Inkubator für neue, oft unkonventionelle Ideen hervor, Herr Univ. Prof. Dr. DI. Heinrich Schima unterstrich in seiner Laudatio die Mentorfunktion von Udo Losert nicht nur für das LBI, sondern auch für die Medizinische Universität Wien. In würdigem Rahmen im Josephinum wurde vom 13.-15.11.2024 so nicht nur der wichtigen Rolle von Professor Losert im Rahmen des LBIs gedacht, sondern auch das 50-jährige Jubiläum der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische Forschung und das 33-jährige Jubiläums des Zentrums für Biomedizinische Forschung und Translationale Chirurgie der Medizinischen Universität Wien gefeiert. Eine gemeinsam herausgegebene Festschrift unterstreicht diese enge Kooperation. Diese gemeinsame Feier zeigt einmal mehr die enge Verschränkung zwischen den beteiligen Institutionen. Nur so kann trotz begrenzter Mittel im internationalen Vergleich Spitzenforschung in Österreich erbracht werden.
Ausgewählte Publikationen
Reduced monocyte and neutrophil infiltration and activation by P-selectin/CD62P inhibition enhances thrombus resolution in mice. . Kral-Pointner JB, Haider P, Szabo PL, Salzmann M, Brekalo M, Schneider KH, Schrottmaier WC, Kaun C, Bleichert S, Kiss A, Sickha R, Hengstenberg C, Huber K, Brostjan C, Bergmeister H, Assinger A, Podesser BK, Wojta J, Hohensinner P. (2024).
HeartMate 3 Snoopy: Noninvasive cardiovascular diagnosis of patients with fully magnetically levitated blood pumps during echocardiographic speed ramp tests and Valsalva maneuvers. . Schlöglhofer T, Gross C, Abart T, Schaefer AK, Marko C, Röhrich M, Widhalm G, Kaufmann F, Weigel I, Al Asadi H, Karner B, Riebandt J, Wiedemann D, Laufer G, Schima H, Zimpfer D. (2024).
Decellularized extracellular matrix and polyurethane vascular grafts have positive effects on the inflammatory and pro-thrombotic state of aged endothelial cells. . Specht SJ, Rohringer S, Hager P, Grasl C, Schmitt AM, Pach VJC, Ehrmann K, Baudis S, Liska R, Kiss H, Schneider KH, Podesser BK, Bergmeister H. (2024).
The IMproving Preclinical Assessment of Cardioprotective Therapies (IMPACT): multicenter pig study on the effect of ischemic preconditioning.. Kleinbongard P, Arriola CG, Badimon L, Crisostomo V, Giricz Z, Gyöngyösi M, Heusch G, Ibanez B, Kiss A, de Kleijn DPV, Podesser BK, Carracedo RR, Rodríguez- Sinovas A, Ruiz-Meana M, Sanchez Margallo FM, Vilahur G, Zamorano JL, Zaragoza C, Ferdinandy P, Hausenloy DJ. (2024).
Spleen in action for cardioprotection. . Badimon L, Kiss A, Podesser BK. (2024).
Development and assessment of case-specific physical and augmented reality simulators for intracranial aneurysm clipping. . Civilla L, Dodier P, Palumbo MC, Redaelli ACL, Koenigshofer M, Unger E, Meling TR, Velinov N, Rössler K, Moscato F. (2024).
Das Team
Auch 2024 war für das LBI für Kardiovaskuläre Forschung wieder ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr mit zahlreichen Publikationen in internationalen Top-Journalen. Hervorzuheben ist auch, dass sich mit diesen Publikationen und auch im Rahmen wissenschaftlicher Kongresse immer mehr junge Forscher:innen des Instituts in ihren jeweiligen Forschungsgebieten als exzellente Wissenschaftler:innen und Expert:innen etablieren können.
Leitung
Univ.-Prof. Dr. Johann Wojta
Leiter
Univ.-Prof. Heinrich Schima PhD
Stv. Leiter