Bausteine zur Bewegungsförderung in Gesundheits­anwendungen

LBI for Digital Health and Prevention

Nach mehrjähriger Aufbauarbeit funktionieren 2024 die aktivplan-App für gesundheitsrelevante Impulse und die Forschungsplattform MORE zusammen mit den Entwicklungen zur Datenintegration mit dem Gesundheitssystem in einem gemeinsamen Ökosystem, das Forschung und Entwicklung erfolgreich vorantreibt.

Am LBI for Digital Health and Prevention wird seit 2019 bedarfsorientiert an digitalen Bausteinen für den langfristigen gesundheitsfördernden Verhaltenswandel gearbeitet.

Ungesunde Verhaltensmuster zu verändern, ist sehr herausfordernd. Verbesserte Muster dann auch dauerhaft beizubehalten, ist für viele Menschen fast unmöglich. Erst recht, wenn der Körper bereits Warnsignale sendet – leise und kontinuierlich, oder erschreckend akut. Nicht umsonst kennen wir für diese Herausforderung ein eigenes Wesen, mit dem wir den Kampf aufnehmen müssen: den inneren Schweinehund. Gleichzeitig wurde die gesundheitsfördernde Wirkung von regelmäßiger Bewegung, aber auch kleinen, fokussierten Bewegungsimpulsen, sogenannten „Exercise Snacks“, im Alltag vielfach bestätigt – in der Rehabilitation wie in der Prävention. Am LBI for Digital Health and Prevention wird seit 2019 bedarfsorientiert an digitalen Bausteinen für den langfristigen gesundheitsfördernden Verhaltenswandel gearbeitet. Personalisierung und tatsächliche Einsatzmöglichkeiten im Gesundheitssystem stehen dabei im Fokus.

„Angefangen haben wir mit Herzpatient:innen, die nach einer akuten Rehabilitation vom Gesundheitspersonal mit der aktivplan-App individuell unterstützt werden, langfristig mehr Bewegung in den Alltag einzubauen, um keinen Rückfall zu erleiden“, erläutert Jan Smeddinck, Co-Direktor des Instituts. Er leitet die Forschungsgruppe für anwendungsorientierte digitale Gesundheitsinterventionen. Die Anwendung aktivplan, ob im Browser oder als App, unterstützt Patient:innen beim Verhaltenswandel, abgestimmt auf ihre Vorlieben und ihre Leistungsfähigkeit. Ob eine flotte Runde im Park spazieren gehen, morgens zuerst ins Hallenbad oder zum Tai-Chi-Kurs: Gemeinsam mit dem betreuenden medizinischen Personal werden zunächst sinnvolle und wirksame Bewegungsimpulse und Ziele besprochen, die danach in der App verankert, angezeigt und dokumentiert werden.

Der zweite digitale Baustein ist der „Digital Health Convener“, entwickelt in der Forschungsgruppe von Rada Hussein. Die Plattform für Dateninteroperabilität passt die digitale Anwendung nahtlos in die IT-Architektur des heimischen Gesundheitssystems ein, sorgt für ein Zusammenspiel über kompatible Datenstandards und verarbeitet gesundheitsbezogene Daten unter hohen Sicherheitsstandards. Einen Bewegungsplan exportieren oder einen Nachweis für Therapieeinheiten als PDF an die Krankenkasse schicken? Das geht einfach, auf Knopfdruck.

2024 wurde die aktivplan-App intensiv in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. Wichtig waren die ersten Schritte für die aufwändige Zulassung als Medizinprodukt. Die gesetzliche Zulassung ist der Goldstandard für eine App, die breit verwendet werden kann und soll. Dazu wurden zunächst mehrere hundert Seiten Dokumentation zur Vorbereitung einer Machbarkeitsstudie, zum Risikomanagement usw. erarbeitet. Zudem bahnt das Team um Forschungsgruppenleiter Stefan Tino Kulnik in einer Machbarkeitsstudie nach Medizinproduktgesetz einen indikatorbezogenen Nachweis der Wirksamkeit der App an. An der Studie nahmen wiederum Herzpatient:innen in jener kritischen Übergangsphase teil, in der es darum geht, eine Lebensstiländerung aus dem betreuten Setting langfristig in den Alltag ‚hinüberzuretten‛. Die Hälfte der Proband:innen nutzte die App, um individuell vereinbarte Bewegungsziele zu erreichen. Die andere Hälfte versuchte es ohne aktivplan-App. Jan Smeddinck: „Bei den Anwender:innen konnten wir im Schnitt 50 Minuten mehr herzgesunde Bewegung pro Woche messen, was in Hinblick auf die von der WHO empfohlenen 150 Minuten pro Woche einen gewichtigen Unterschied machen kann.“

Inhaltlich ausgeweitet wurde die aktivplan-Anwendung zudem im Rahmen der Digi:Green-Studie. Unter maßgeblicher Leitung der Mensch-Technik-Interaktionsforscherin Daniela Wurhofer wurden mit Gesundheitsbetrieben im Gasteinertal Trainingsvideos sowie Impulse für Entspannung und gesunde Ernährung erarbeitet und integriert. Die Möglichkeit einer solchen Anpassung an eine bestimmte Region ist ökonomisch attraktiv und kann wie eine innovative Visitenkarte für den Standort wirken. Im Rahmen des neuen KlimaFIT-Projektes wird aktivplan nun für die klimawandelbedingt zunehmende Zahl an Hitzetagen eingerichtet, um Bewegungsimpulse entsprechend anzupassen. Jan Smeddinck: „Die App kann bei entsprechender Einbindung von Prognosedaten dabei unterstützen, an einem heißen Tag mit hohen Ozonwerten die Cardioreha nicht einfach ausfallen zu lassen. Sie kann dann alternative Aktivitäten vorschlagen, oder eine Route im Schatten.“ Der Kern der App, auf Rehabilitation und Gesunderhaltung hinzuwirken, bleibt erhalten.

Innerhalb des Ökosystems für digital vermittelte Gesundheitsintervention ermöglicht die Plattform MORE Forschenden und Entwickler:innen, nahezu in Echtzeit Daten für alltagsbegleitende Studien zu erheben, Interventions- und Kontrollgruppen zu analysieren, automatisierte Interventionen zu testen und alles zu dokumentieren. Im Setting z. B. klinischer Studien stimmen Teilnehmer:innen ausdrücklich zu (informed consent), welche Daten gemessen, getrackt und ausgewertet werden, etwa die Herzfrequenz, die Schrittzahl oder erreichte Bewegungsziele.

Die große Stärke der Entwicklungen am LBI for Digital Health and Prevention liegen für Co-Direktor Smeddinck in der sorgfältigen Bedarfsanalyse an der Basis und dem interdisziplinären Team.

Genutzt hat diese Möglichkeit David Haag, der am Institut seine Dissertation in Psychologie verfasst. Ihn interessiert, was uns noch besser zu Lebensstiländerungen motiviert. Wird der Kampf mit dem inneren Schweinehund durch unterstützende, automatisierte, kontextbezogene Nachrichten erleichtert? Wer ein neues Verhalten etablieren will, muss dranbleiben, bis es in ‚Fleisch und Blut übergeht‛, wie man so schön sagt. Wir kennen das von sportlichen Neujahrsvorsätzen. Begonnen wird hochmotiviert. Dann klappt es einmal nicht. Dann sagt der Sport-Buddy aus guten Gründen ab. Das nächste Mal ist eine Verkühlung im Anzug. Und schon kann es schwer werden, wieder hineinzukommen. „Wenn ein Bruch in den Aktivitäten einmal da ist, steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die nächste wieder nicht stattfindet“, fasst Jan Smeddinck, Spezialist für Mensch-Technik-Interaktion und digitale Gesundheitsforschung, zusammen. David Haag, Doktorand vom Austrian Institute of Technology, nutzte MORE, um seinen Proband:innen automatisiert genau dann motivierende Nachrichten aufs Handy zu schicken, wenn sie aus der Routine zu fallen drohten.

Viele Firmen und Institute arbeiten intensiv an digitalen Anwendungen, die Verhaltensänderungen anstoßen. Die große Stärke der Entwicklungen am LBI for Digital Health and Prevention liegen für Co-Direktor Smeddinck in der sorgfältigen Bedarfsanalyse an der Basis und dem interdisziplinären Team: „Unsere Entwicklungen für das Gesundheitspersonal und für Patient:innen fallen nicht vom Himmel. Wir haben stets den Anspruch, dass sie langfristig und zuverlässig funktionieren – mit begleitender und gut dokumentierter Forschung und einfacher Integration in den Alltag.“

Highlights

Josef Niebauer wiedergewählt zum Präsidenten der ÖGPR

Josef Niebauer wurde für weitere drei Jahre als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation wiedergewählt. Für seine klinische und wissenschaftliche Expertise im Bereich kardiologische Rehabilitation wurde Josef Niebauer neuerlich unter den Top 20 von >12.400 Experten weltweit bei ExpertScape gelistet.

KlimaFIT - Forschungsprojekt zu Hitzeresilienz gestartet

Unter dem Motto “Resilienz stärken. Klima schützen.” arbeitet das LBI für digitale Gesundheit und Prävention unter der Leitung von Trafficon im FFG-Projekt KlimaFIT (Aktive Mobilität, Klimawandel und Rehabilitation - digitale Wege zur Hitzeresilienz) gemeinsam mit weiteren Partnern daran, wie aktives Mobilitätsmanagement in Kombination mit gezieltem Hitzemanagement gesundheitliche Risiken bei kardiovaskulär gefährdeten Gruppen verringern kann. Dabei soll auch die vom LBI-DHP entwickelte aktivplan App zum Einsatz kommen.

IDERHA & Health Cluster - Treiber für die Standardisierung von Gesundheitsdaten

Im Jahr 2024 hat das LBI-DHP (Leiter des Interoperabilitäts-Arbeitspakets von IHI-Projekts IDERHA) mit dem Horizon Standardization Booster (HSbooster.eu) zusammengearbeitet, um die Standardisierung von Gesundheitsdaten in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des European Health Data Space (EHDS) voranzutreiben. Der Health Cluster umfasst sieben datengetriebene Projekte, die KI für Anwendungsfälle im Bereich Krebs nutzen, nämlich IDERHA, HealthData@EU pilot, EUCAIM, INCISIVE, Bigpicture, iHelp und ASCAPE.

Stefan Tino Kulnik - Neues Präsidiumsmitglied der ESC ACNAP

Stefan Tino Kulnik wurde 2024 zum Präsidiumsmitglied der European Society of Cardiology (ESC) Association of Cardiovascular Nursing & Allied Professions (ACNAP) gewählt. Für seine wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Kardiologie wurde ihm der Titel "Fellow of the ESC" verliehen.

Ausgewählte Publikationen

“Be with me and stay with me”: Insights from Co-Designing a Digital Companion to Support Patients Transitioning from Hospital to Cardiac Rehabilitation. In Proceedings of the 2024 ACM Designing Interactive Systems Conference (DIS ’24).. ● Höppchen I, Kulnik ST, Meschtscherjakov A, Niebauer J, Pfannerstill F, Smeddinck JD, Strumegger EM, Young F, Wurhofer D. (2024).

Association for Computing Machinery, New York, NY, USA, 890–904

Making it transparent: A worked example of articulating programme theory for a digital health application using Intervention Mapping. . ● Marcos, T. A., Crutzen, R., Leitner, V., Smeddinck, J. D., Strumegger, E. M., Wurhofer, D., & Kulnik, S. T. (2024).

Digital health, 10, 20552076241260974. https://doi.org/10.1177/20552076241260974

Getting ready for the European Health Data Space (EHDS): IDERHA’s plan to align with the latest EHDS requirements for the secondary use of health data. . ● Hussein R, Balaur I, Burmann A, Ćwiek-Kupczyńska H, Gadiya Y, Ghosh S, Jayathissa P, Katsch F, Kremer A, Lähteenmäki J, Meng Z, Morasek K, C Rancourt R, Satagopam V, Sauermann S, Scheider S, Stamm T, Muehlendyck C, Gribbon P. (2024)

Open Res Eur. 2024 Jul 30;4:160. doi: 10.12688/openreseurope.18179.1. PMID: 39185338; PMCID: PMC11342032.

Validity of Four Consumer-Grade Optical Heart Rate Sensors for Assessing Volume and Intensity Distribution of Physical Activity. . ● Neudorfer, M., Kumar, D., Smeddinck, J. D., Kulnik, S. T., Niebauer, J., Treff, G., & Sareban, M. (2024).

Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports, 34(11), e14756

Synergies Among Health Data Projects with Cancer Use Cases Based on Health Standards. . ● Gyrard A, Gribbon P, Hussein R, Abedian S, Bonmati LM, Cabornero GL, Manias G, Danciu G, Dalmiani S, Autexier S, van Nuland R, Jendrossek M, Avramidis I, Alvarez EG. (2024).

Stud Health Technol Inform. 2024 Aug 22;316:1292-1296. doi: 10.3233/SHTI240649. PMID: 39176618

Das Team

Die Zukunft der Gesundheit ist zusehends präventiv und individualisiert. Für effektive Forschung und Innovation in diesem Bereich braucht es integrierte digitale Gesundheitsökosysteme zur längerfristigen Begleitung von Patientenpfaden. Dies ermöglicht auch die Exploration des Potenzials neuester KI-Systeme für skalierbare Lösungen in der Umsetzung.

Co-Director und Principal InvestigatorDr.-Ing. Jan David Smeddinck, BSc, MSc

Leitung

Prim. Univ.-Prof. Dr. Dr. Josef Niebauer, MBA

Wissenschaftliche Leitung

Dr.-Ing. Jan David Smeddinck, BSc, MSc

Wissenschaftliche Co-Leitung

Andreas Stainer-Hochgatterer

Administrative Leitung und Open Innovation in Science Manager

2
Key-Researcher:innen
16
Postdocs
9
PhD-Student:innen/Dissertant:innen
6
Diplomand:innen/Masterstudent:innen
2
Wissenschaftliche Fachkräfte
4
Wissenschaftliches Forschungspersonal
3
Administratives Personal

Partner

Landeskliniken Salzburg (AT)
Fachhochschule Salzburg GmbH (AT)
Paris Lodron Universität Salzburg (AT)
Salzburg Research (AT)
AIT Austrian Institute of Technology GmbH (AT)
Land Salzburg (AT)
Paracelsus Medizinische Universität (AT)
Stand: Mai 2025

Wissenschaftlicher Beirat

Prof. Dr. Lisette van Gemert-PijnenUniversity of Twente (NL)
Prof. Dr. Elisabeth AndréUniversität Augsburg (DE)
Duncan Barron, BSc MScUniversity of London (UK)
Prof. Dr. Jaap HamEindhoven University of Technology (NL)
Victoria HamerKingston University (UK)
Marc van KempenHealthcare Executive (NL)
Stand: Mai 2024