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Wo Wundheilung passiert
Forschungsgruppe Alterung und WundheilungWer ruft eigentlich die Rettung, wenn die Haut verletzt wird? Als Boten mit Blaulicht, aber auch Projektmanager bis zum Ende der Wundheilung, machte ein Team der Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe für Alterung und Wundheilung das Protein rPS6 aus. Mit Serien von histologischen Befunden, In-vitro- und In-vivo-Experimenten bei Schwein, Maus und Mensch, konnte bewiesen werden, dass Heilung in einer Aktivierungszone rund um die Wunde koordiniert wird.
Verletzungen bluten, das Blut verklumpt, die Wunde verschließt sich, das Immunsystem passt auf und wehrt ab, die Wunde heilt und vernarbt. Manche Wunden heilen gut, andere schlecht. Aber wer ruft Hilfe? Und wer koordiniert den komplexen Heilungsprozess? Die Wundheilung, so der Befund eines vielköpfigen Teams der Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe für Alterung und Wundheilung (Senescence and Healing of Wounds, kurz LBG SHoW), wird in unmittelbarer Nähe der Verletzung koordiniert und ausgeführt. Eine sauber abgegrenzte Aktivierungszone, aber auch Ansätze der Aufgabenverteilung für die Heilung, wurden von dem biomedizinischen Team verortet und sichtbar gemacht. Über die räumliche Organisation der Wundheilung war zuvor kaum etwas bekannt. Alle bereits bekannten Zellreaktionen (z.B. Wanderung, Differenzierung und Zellteilung), die rund um den Heilungsprozess passieren, konnten in der Aktivierungszone verortet werden. Sie bildet sich um jede Art von Wunde in der Haut, ob Schnitt, Stich oder Verbrennung. Und hier passiert die Heilung.
Am Nachweis für die Aktivierungszone, in der die Heilung koordiniert wird, waren fast so viele Forschende beteiligt, wie es Zelltypen im Hautgewebe gibt, angeführt von Mikolaj Ogrodnik und den beiden Erstautorinnen Nadja Ring und Helene Dworak. Mit einer Serie experimenteller Ansätze von Tierversuchen in-vivo bis zu humanen Zellkulturen und zahllosen eingefärbten Gewebeschnitten kam das Team der räumlichen Verteilung der Heilung auf die Spur. Es konnte eine Grenze zu unbeteiligten Zellen gezogen werden, die zu weit bzw. weit genug vom Unfallgeschehen entfernt sind. Im ersten Schritt wurde als Blaulicht und Signalgeber das ribosomale Protein S6 identifiziert, das durch das Anhängen einer Phosphatgruppe aktiviert wird (Phosphorylierung). Das Protein rPS6 sitzt in jedem Ribosom in jeder Zelle des Körpers. In den ribosomalen Fabriken ist es am Ablesen von Sequenzen für Wachstum, Zellteilung und Energiebereitstellung beteiligt. Im Wundbereich wird es mit einer blitzschnellen chemischen Reaktion aktiviert.
Zunächst wurde in-vivo mit Schweinen gearbeitet, deren Haut sehr ähnlich der menschlichen ist. Danach wurden die Messreihen mit Mäusen ergänzt und mit menschlichen Hautlappen, die bei Operationen entfernt wurden, überprüft. Für die Ausbildung der Aktivierungszone war die Art der Verletzung (Schnitt-, Stich- oder Brandwunde) egal. Immer war aktiviertes rpS6 fünf Minuten später nachweisbar. Und zwar bis der Heilungsprozess gänzlich abgeschlossen war. Das drehende Blaulicht rpS6 aktiviert dabei alle Zelltypen in der Zone gleichermaßen. Neben Hautzellen auch Immunzellen, Pigmentzellen, Fettzellen, Bindegewebe, Haarfollikel, Lymphzellen, Muskelzellen etc.
Wie die Aktivierungszone sich bildet, schrumpft und sich wieder abschafft, konnte mit eingefärbten histologischen Schnitten im Zeitverlauf gezeigt werden. Für die Gewebeproben wurden mittels Biopsie Proben von Wundrand und umgebender Haut genommen, in Wachs gegossen, in 4 µm-dünne Scheiben geschnitten und mit verschiedenen Reagenzien eingefärbt. Und zwar im Zeitverlauf: ab 5 Minuten, nach 15 Minuten, einer halben Stunde, einer Stunde, 3 Stunden, 6 Stunden bzw. nach einem Tag, 3, 7, 12, 18 und 28 Tagen. Der Bereich um die Wunde ließ sich auch nach dem Schicksal des Gewebes einfärben. In der Verletzungszone sind die Zellen zerstört (Nekrose). In den unmittelbar benachbarten Zellen wird mittelfristig der geplante Zelltod (Apoptosis) eingeleitet. Sie nehmen sich aus dem Spiel, weil sie nicht mehr voll funktionstüchtig sind. Und im Hinterland – bis an die Grenze zum unbeteiligten Gewebe – wird die Heilung bewerkstelligt. Die Form der Aktivierungszone ist dabei abhängig vom Wundmuster. Sie umhüllt den Stichkanal und den Schnitt vollständig. Bei der Brandwunde grenzt die Aktivierungszone die Wunde in Richtung der gesunden Gewebeschichten in der Tiefe ab.
Der Vergleich von rPS6 mit der Leitungsfunktion in einem Orchester ist nicht so weit hergeholt. Tatsächlich wurde in einem Forschungsstrang mit Knockout-Mäusen gearbeitet, deren rpS6 nicht arbeitet. Bei einer Verletzung heilten auch die Wunden dieser Säugetiere ab. Aber die Prozesse wirkten weniger fein abgestimmt und der Wundverschluss im Ergebnis eher stümperhaft und klobig.
Die weiteren Forschungsbemühungen konzentrieren sich nun auf zwei Bereiche: Welche Signale lassen das Blaulicht rPS6 aufleuchten? Und wie entscheidet sich, welches Schicksal die Zellen in der Aktivierungszone erwartet – Absterben, Aufopfern, Wachsen, Nichtstun. Auch soll untersucht werden, ob die Aktivierungszone größer wird, wenn sich die Wunde vergrößert. Je mehr über die Aktivierungszone herausgefunden wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass Ideen zur Verbesserung der Wundheilung entwickelt werden, z.B. was getan werden kann, damit eine chronische Wunde doch noch heilt oder eine „schlecht arbeitende Zone“ mehr leistet.
Highlights
Wundpflege als Verhandlungssache
Eine neue Publikation von Deborah Drgac und Raffael Himmelsbach bringt die Erfahrungen der professionellen Pflege mit chronischen Wunden ans Licht. Sie erzählt von informellen Netzwerken, von der Notwendigkeit sich immer wieder beweisen zu müssen und dem Balanceakt der Empathie. Im österreichischen Gesundheitssystem, ist gutes Wundmanagement oft Verhandlungssache, und jedenfalls immer eine Frage der Beziehungen.
Eröffnungsvortrag am Pflegekongress
Die Österreichische Gesellschaft für Vaskuläre Pflege (ÖGVP) lud Conny Schneider zu einem Vortrag am Pflegekongress ein. In der Eröffnungssession präsentierte sie unsere Arbeit zur Versorgung chronischer Wunden durch das österreichische Gesundheitssystem einem vollen Auditorium. Das Echo in der Pflege Community war groß. Conny durfte sich letztendlich nicht nur über einen Posterpreis, sondern vielmehr noch über eine Aufnahme in die ÖGVP freuen.
Tanzende Füße
Füße sind unser Fundament. Und doch spüren und sehen wir nur selten hin. Unter der Leitung von Marie Niederleithinger haben wir, gemeinsam mit Tanz die Toleranz, den Wiener Pensionist:innen Klubs und Arts for Health Austria, Videos zusammengestellt, die dazu anregen, unseren Füßen mehr Beachtung zu schenken. Denn sie können uns viel über unsere Gesundheit sagen. Tanzen Sie mit!
Ausgewählte Publikationen
Acts of negotiation: toward a grounded theory of nursing practice in chronic wound care in Austria. Drgac D, Himmelsbach R
The p-rpS6-zone delineates wounding responses and the healing process. Ring NAR, Dworak H, Bachmann B, Schädl B, Valdivieso K, Rozmaric T, Heimel P, Fischer I, Klinaki E, Gutasi A, Schuetzenberger K, Leinfellner G, Ferguson J, Drechsler S, Mildner M, Schosserer M, Slezak P, Meyuhas O, Gruber F, Grillari J, Redl H, Ogrodnik M
The meaning of adaptation in aging: insights from cellular senescence, epigenetic clocks and stem cell alterations. Ogrodnik M, Gladyshev VN
Das Team
Leitung
Raffael Himmelsbach, PhD
Co-Direktor, Open Innovation Manager
a.o. Univ. Prof. Dr. Heinz Redl
Co-Direktor, Wissenschaftlicher Leiter