„Gesundheitsvorsorge Aktiv“ – ein individuelles Präventionsprogramm

LBI für Arthritis and Rehabilitation

Krankenstände, Arbeitsunfähigkeit und krankheitsbedingte Frühpensionierungen kosten das Gesundheitssystem jährlich Milliarden an Steuergeld. Das von der Pensionsversicherung (PV) aufgestellte Konzept „Gesundheitsvorsorge Aktiv (GVA)“ soll dabei als präventives Gesundheitsprogramm wirksam sein. Die Bewertung des Programms durch das Ludwig Boltzmann Institut für Arthritis und Rehabilitation zeigt, dass das modulare und individuell an die Patient:innen angepasste Konzept gesundheitsrelevante Faktoren verbessern kann.

Im Bereich der Gesundheitsförderung gewinnt die Prävention zunehmend an Bedeutung. Sie soll Krankheit verhindern, sie weniger wahrscheinlich machen oder verzögern. Dazu hat die Pensionsversicherung Österreich (PV) ein dreiwöchiges stationäres Präventionsprogramm, die Gesundheitsvorsorge Aktiv (GVA), entwickelt. Das Programm soll individuell angepasste Behandlungen ermöglichen und zur Verbesserung der Gesundheit durch präventive Maßnahmen beitragen. Ziel ist die Steigerung der Lebensqualität, der psychosozialen Gesundheit und der Arbeitsfähigkeit für Berufstätige und Pensionist:innen mit muskuloskelettalen Problemen. Die GVA trägt zudem auch zur österreichweiten Vereinheitlichung der Behandlungsmethoden in Kuranstalten bei und macht Ergebnisse wissenschaftlich messbar und international vergleichbar.

Das Ludwig Boltzmann Institut für Arthritis und Rehabilitation veröffentlichte im Dezember 2023 eine Studie, die den Erfolg des Präventionsprogrammes GVA klinisch-wissenschaftlich belegt. Die Studienautorinnen Bettina Thauerer und Bibiane Steinecker-Frohnwieser konnten bei den Studienteilnehmer:innen Verbesserungen in den Bereichen Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität, psychische und physische Gesundheit feststellen. Die Forscherinnen verweisen dabei auf den modularen Aufbau des Programms: Patient:innen werden je nach Bedürfnissen unterschiedlichen Modulen zugewiesen, die differenzierte Behandlungsmethoden und individuelle Schwerpunktsetzungen ermöglichen. Die bisherige Herangehensweise der klassischen Kur ließ Umweltfaktoren und unterschiedliche Zugänge der Teilnehmer:innen wie Partizipationsverhalten weitgehend unbeachtet. „Die Individualisierung durch die unterschiedlichen Module bewirkt, dass die Therapiemethoden zielgerichteter eingesetzt werden können und daher auch mehr Chancen auf Erfolg haben“, erklärt Steinecker-Frohnwieser.

Das Basismodul umfasst Bewegungstherapie sowie Kraft-, Ausdauer- und/oder Entspannungstraining. Gemeinsam mit Ärzt:innen können Patient:innen entscheiden, welches der drei Zusatzmodule am besten geeignet ist, um ihre aktuellen Bedürfnisse zu adressieren. Zusatzmodule konzentrieren sich auf Bewegungsoptimierung, die Motivation zur Bewegung oder die mentale Gesundheit. Teilnehmer:innen, die bereits einen aktiven Lebensstil verfolgen, werden durch qualifizierte Anleitung unterstützt, den Bewegungsablauf richtig und in angemessener Frequenz und Intensität durchzuführen. Menschen, die nur bedingt Lust auf Bewegung verspüren, sollen durch das Modul „Bewegungsmotivation“ einen verstärkten Zugang zur körperlichen Aktivität bekommen. Die Freude an der Bewegung und das Finden der richtigen Aktivität für die betroffenen Patient:innen rücken dabei in den Fokus. Teilnehmer:innen mit erheblichen begleitenden psychischen Stressfaktoren erhalten Therapieeinheiten, die auf Stressreduktion, Stärkung von Schutzmechanismen und Verbesserung des psychischen Wohlbefindens abzielen.

Allen gemein sind zusätzliche Schulungen und Workshops, die zur Stärkung der Eigenverantwortung für ihre Gesundheit dienen. Dieser ganzheitliche Ansatz soll die Gesundheit festigen, Selbstfürsorge fördern und sozialmedizinische Effekte, wie den Erhalt der Arbeitsfähigkeit, die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit und die Steigerung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, langfristig verbessern.

Das Ziel der durch das LBI für Arthritis und Rehabilitation in Zusammenarbeit mit der PV durchgeführten Untersuchung bestand darin, die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des neuartigen präventiv ausgerichteten und stärker individualisierten stationären Gesundheitsprogramms GVA hinsichtlich Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität sowie psychische und physische Gesundheit zu bewerten. Dazu wurde der Gesundheitszustand der Patient:innen zu vier Zeitpunkten erhoben: Bei Beginn des Programms, am Ende des dreiwöchigen Programms, sechs Monate nach Beendigung des Programms und ein Jahr nach Beginn des Programms.

Dass die Verbesserung der mentalen Gesundheit ein eigenständiges Modul darstellt, habe sich als besonders wichtig herausgestellt, betonen die Forscherinnen. „Menschen mit einem Bedarf an der Verbesserung ihrer psychischen Gesundheit zeigten eine entsprechend bedürftigere Ausgangssituation bei GVA-Antritt in den Bereichen Arbeitsfähigkeit, Lebensqualität oder psychosoziale Symptomatik im Vergleich zu den anderen Teilnehmer:innen“, sagt Thauerer. „Am Ende des Aufenthalts und bei den Nachbefragungen zeigte sich, dass diese Patient:innen-Gruppe vom GVA-Programm am meisten profitierte: Werte wie Stressfaktoren waren auch noch nach sechs Monaten deutlich reduziert, die körperliche Aktivität konnte gesteigert werden.“

 

Die Autorinnen halten auch die Konzentration auf spezielle Programme zur Behandlung von psychischen Problemen für wichtig, „weil psychische Erkrankungen nicht immer diagnostiziert werden. Menschen mit psychischen Problemen haben nicht immer eine klinisch diagnostizierte Depression, sind aber dennoch weniger produktiv und körperlich krank. Psychische Gesundheit ist daher auch stark mit Aspekten der Teilhabe verbunden.“ Die gewonnenen Erkenntnisse über die Auswertung der GVA lassen für die Forscherinnen auch den Schluss zu, dass eine Unterstützung „Nach-Reha“, z. B. durch Therapeut:innen oder Coaches, wichtige Aspekte zur Stärkung und Nachhaltigkeit darstellen könnten.

Auch die anderen Modulteilnehmer:innen, vor allem jene im Modul der Bewegungsmotivation, profitierten nachweislich vom neuen Gesundheitsprogramm der PV.

Die Einschätzung der aktuellen körperlichen und geistigen Arbeitsfähigkeit verbesserte sich im Laufe der Zeit einhergehend mit der Abnahme der Beeinträchtigung der Arbeitsleistung. Die deutliche Verbesserung der körperlichen Verfassung, hauptsächlich durch die Verringerung von Schmerzen, führte zu einer Steigerung des allgemeinen Gesundheitszustands und der Lebensqualität, die über einen Zeitraum von sechs Monaten beibehalten wurde. Es wurde auch festgestellt, dass es eine Verbindung zwischen Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit gibt. Zur Anwendung kamen Assessmentmethoden wie der EQ-5D-5L-Fragebogen, ein validiertes, generisches Messinstrument für die gesundheitsbezogene Lebensqualität bzw. den subjektiv empfundenen Gesundheitszustand von Patient:innen. Für die psychologische Diagnostik wurde der PHQ-D-Fragebogen verwendet. Zur Einschätzung der subjektiven Arbeitsfähigkeit wurde unter anderem der Work Ability Index (WAI) herangezogen. Die Schmerzintensität wurde mittels einer visuellen Analogskala (VAS) erhoben.

Highlights

Besuch BM Polaschek

Im Herbst 2023 wurde unserem Institut die Ehre zu Teil, das Programm und die Inhalte mit Unterstreichung der translationalen Forschungsansätze Herrn Bundesminister Martin Polaschek vorzustellen. Dabei wurde durch die Führung durch die Labors ein Einblick in aktuell laufende Forschungsexperimente vermittelt.

Habilitation

PD. Dr.in Antje van der Zee-Neuen konnte sich mit ihrer Habilitationsschrift zum Thema „Aspects of health in patients with musculoskeletal diseases and depression“ in dem Fach „empirische medizinische Physiologie“ an der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) Salzburg habilitieren.

Dissertation

Valentin Ritschl, MSc, PhD konnte mit März 2023 seine Dissertation zum Thema "Detecting, understanding and managing therapeutic non-adherence in people with rheumatic and musculoskeletal conditions" im Fach Public Health an der Medizinischen Universität Wien mit sehr guten Erfolg abschließen.

Awards

Christine Strauß, PhD Studentin des LBIAR, wurde im Zuge der Jahrestagung der ÖGR (Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie) für ihr Projekt "The functional role of LGALS1 (galectin-1) in inflammatory and degenerative joint damage“ mit dem Lilly Innovation Award 2023 ausgezeichnet. Zusätzlich wurden ihr 2023 zwei Preise auf internationalen Kongressen für ihre Arbeiten zum Thema "Glykobiologie und Arthrose" verliehen.

Publikationspreis

Mirjam Dellinger, PhD Studentin des LBIAR und tätig innerhalb der Arbeitsgruppe von Assoc.Prof. Dr. Michael Bonelli (Department of Medicine III, Division of Rheumatology) an der Medizinischen Universität Wien, erhielt für ihre Veröffentlichung „Cytokine directed cellular cross-talk imprints synovial pathotypes in rheumatoid arthritis“ im Fachjournal „Annals of the Rheumatic Diseases“ den Publikationspreis der ÖGR (Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie).

Rheumatagung in Saalfelden

Die vom LBIAR organisierte und bereits zu einer Institution gewordene Rheumatagung in Saalfelden und dass über das Forschungsinstitut Gastein (FOI) als Partner des LBIAR durchgeführte Fachsymposium in Gastein mit einer Expertenrunde (u.a. Prof. Dr. Tanja Stamm) und Fachvorträgen (u.a. PD Dr. Bibiane Steinecker) zu aktuellen Themen rund um Radon als Heilmittel, Kur und Rehabilitation fanden großen Anklang. Mehrere Beiträge des LBIAR wurden im Rahmen des Symposiums ausgezeichnet.

Ausgewählte Publikationen

Determinants of COVID-19 vaccine fatigue. Stamm, T.A., Partheymüller, J., Mosor, E. et al.

Nat Med 29, 1164–1171 (2023). https://doi.org/10.1038/s41591-023-02282-y

Association of quantitative measures of medial meniscal extrusion with structural and symptomatic knee osteoarthritis progression - Data from the OAI FNIH biomarker study. Sharma K., Eckstein F., Maschek S., Roth M., Hunter D.J., Wirth W.

Osteoarthritis Cartilage 31(10): 1396-1404 (2023). DOI: 10.1016/j.joca.2023.07.007. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37500050/

Test-retest precision and longitudinal cartilage thickness loss in the IMI-APPROACH cohort. Wirth W., Maschek S., Marijnissen A.C.A., Lalande A., Blanco F.j., Berenbaum F., van de Stadt L.A., Kloppenburg M., Haugen I.K., Ladel C.H., Bacardit J., Wisser A., Eckstein F., Roemer F.W., Lafeber F.P.J.G., Weinans H.H., Jansen M.

Osteoarthritis Cartilage 31(2): 238-248 (2023). DOI: 10.1016/j.joca.2022.10.015. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36336198/ (IF:7.0)

Cytokine-directed cellular cross-talk imprints synovial pathotypes in rheumatoid arthritis. Kugler M., Dellinger M., Kartnig F., Müller L., Preglej T., Heinz L.X., Simader E., Göschl L., Puchner S.E., Weiss S., Shaw L.E., Farlik M., Weninger W., Superti-Furga G., Smolen J.S., Steiner G., Aletaha D., Kiener H.P., Lewis M.J., Pitzalis C., Tosevska A., Karonitsch T., Bonelli M.

Ann Rheum Dis 82(9),1142-1152 (2023). DOI: 10.1136/ard-2022-223396 (IF: 28.003)

Activation of the Mechanosensitive Ion Channels Piezo1 and TRPV4 in Primary Human Healthy and Osteoarthritic Chondrocytes Exhibits Ion Channel Crosstalk and Modulates Gene Expression. Steinecker-Frohnwieser B., Lohberger B., Toegel St., Windhager R., Glanz V., Kratschmann C., Leithner A., Weigl L.

Int J Mol Sci 24 (2023). https://doi.org/10.3390/ijms24097868 (IF: 6.208)

Das Team

Die Gesundheitsvorsorge wird in der heutigen Gesellschaft immer wichtiger. Die rechtzeitige Vorbeugung möglicher Erkrankungen, die sowohl den Arbeitsalltag als auch die Lebensqualität massiv beeinträchtigen können, erlangt dabei immer mehr an Bedeutung. Zusätzlich kann die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse der Patient*innen einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt des allgemeinen Gesundheitszustandes leisten. Das Programm „Gesundheitsvorsoreg Aktiv“, entwickelt von der Pensionsversicherung Österreich (PV), hat hier erfolgreiche Standards gesetzt, die vom LBIAR wissenschaftlich evaluiert und dargestellt wurden.

Stv. LeiterinPriv. Doz. Mag. Dr. Bibiane Steinecker-Frohnwieser

Leitung

n

Univ.-Prof. Dr. Tanja Stamm, PhD

Leiterin

Priv. Doz. Mag. Dr. Bibiane Steinecker-Frohnwieser

Stv. Leiterin

8
Key Researcher:innen
7
Postdocs
9
PhD-Student:innen/Dissertant:innen
4
Wissenschaftliche Fachkräfte
21
Wissenschaftliches Forschungspersonal
3
Administratives Personal

Partner

Medizinische Universität Graz (AT)
Medizinische Universität Wien (AT)
Österreichische Gesundheitskasse Niederösterreich (AT)
Karl-Franzens-Universität Graz (AT)
Paracelsus Medizinische Universität Salzburg (AT)
Pensionsversicherungsanstalt (AT)
Stand: Mai 2024

Wissenschaftlicher Beirat

Margreet Kloppenburg, MD, PhDLeiden University Medical Center (NL)
Prof. Thomas PapUniversity Hospital Münster (DE)
François Rannou, MD, PhDUniversity Paris Descartes (FR)
Stand: Mai 2024

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