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Ein Meilenstein in der Erforschung
Myeloproliferativer Neoplasien
LBI für Hämatologie und OnkologieMyeloproliferative Neoplasien (MPN) sind gekennzeichnet durch eine unkontrollierte Vermehrung von myeloischen Zellen, krankheitsassoziierte Mutationen in bestimmten Treibergenen wie JAK2, CALR oder MPL, und ein erhebliches Risiko für die Entwicklung einer sekundären akuten myeloischen Leukämie (sAML). Einem Forscherteam im LBI für Hämatologie und Onkologie (LBI HO) ist es nun gelungen, krankheitsauslösende Stammzellen in MPN phänotypisch und funktionell zu charakterisieren.
Über fünf Jahre lang untersuchte ein Ph.D.-Student des LBI HO, Daniel Ivanov, Blut- und Knochenmarkszellen, inklusive Stammzellen, in Patient:innen, die an diversen MPN erkrankt waren. MPN sind eine Gruppe von Knochenmarkserkrankungen, die durch eine unkontrollierte Vermehrung von diversen Blutzellen, inklusive myeloischer und/oder erythrozytärer Zellen, sowie z.T. auch der Blutplättchen (Thrombozyten) gekennzeichnet sind. Als Folge kann es zu thromboembolischen Problemen kommen, und in einem Teil der Patient:innen findet sich ein Fortschreiten der Erkrankung bis hin zur sekundären akuten myeloischen Leukämie (sAML). Zu den klassischen MPN zählen die Polycythaemia vera (PV), die essentielle Thrombozythämie (ET) und die primäre Myelofibrose (PMF).
Ziel der Studie war es, krankheitsauslösende (MPN-initiierende) Stammzellen in MPN-Patient:innen zu identifizieren und funktionell als auch bezüglich der Expression von wichtigen Zielstrukturen zu untersuchen. Entscheidend dabei ist, dass eine therapeutische Beseitigung (Eradikation) dieser MPN-Stammzellen möglicherweise zu neuen kurativen Therapieansätzen führt. Leider ist aber noch wenig über diese Zellen bekannt: „Wir wissen bis heute nicht, wie diese Stammzellen eigentlich aussehen und wie man sie eliminieren kann – und solange wir das nicht wissen, können wir die Krankheit nicht heilen“, sagt Ivanov. Nun gelang es dem Forscherteam des LBI HO erstmals, den Phänotyp der CD34+/CD38−-Stammzellen und CD34+/CD38+-Vorläuferzellen in MPN-Patient:innen zu definieren und therapeutische Zielstrukturen in diesen Zellen zu identifizieren. Insgesamt wurden 111 Patient:innen, die an PV, ET oder PMF leiden, untersucht. Dabei handelte es sich um ein Kooperationsprojekt, in welchem drei Partner-Institutionen des LBI HO eingebunden waren: die Medizinischen Universität Wien, das Hanusch-Krankenhaus und die Veterinärmedizinische Universität Wien.
Das Team rund um Daniel Ivanov konnte zeigen, dass die CD34+/CD38−-MPN-Stammzellen einen speziellen Phänotyp aufweisen. Speziell exprimieren diese Zellen diverse Zytokinrezeptoren, Immun-Checkpoint-Moleküle und andere klinisch relevante Zielantigene, wie beispielsweise CD33, CD44 oder CD123. Über 20 Oberflächenproteine konnten auf den MPN-Stammzellen identifiziert werden. „Viele der 20 Oberflächenproteine, die wir gefunden haben, sind auch potenzielle Targets (Zielstrukturen) für anti-neoplastische Medikamente“, sagt Ivanov. Das Ziel: Diese Medikamente eines Tages so gezielt zum Einsatz zu bringen, dass sie die meisten oder sogar alle MPN-Stammzellen in den meisten Patient:innen mit MPN eliminieren können. Im Rahmen der Arbeiten von Daniel Ivanov wurden auch CD34+/CD38−-Stammzellen in Patient:innen mit sAML (nach einer MPN-Phase) untersucht. Das ist insofern von großer Bedeutung, als diese Patient:innen trotz neuer Therapieoptionen oft nicht oder nur kurzfristig auf Standardtherapien ansprechen und somit eine schlechte Prognose aufweisen.
Die phänotypische Charakterisierung der neoplastischen Stammzellen in MPN- und sAML-Patient:innen soll insgesamt nicht nur die Anreicherung dieser Zellen für zukünftige Forschungsprojekte erleichtern, sondern auch die Entwicklung von neuen, wirksameren (kurativen) Therapieansätzen fördern.
Obwohl die von Ivanov publizierte Studie seit ihrem Erscheinen im American Journal of Hematology 2023 bereits zweimal ausgezeichnet wurde* und viele Erkenntnisse gebracht hat, sieht sich Daniel Ivanov erst am Anfang: „Wir haben noch viel vor uns. Um jede der Oberflächenproteine auf den MPN-Stammzellen könnten weitere Projekte initiiert werden und weitere Ph.D.-Student:innen forschen“, erklärt Ivanov abschließend.
*Preise:
- Young Investigator Award 2023 des American Journal of Hematology
- Best abstract award in the field of hematology and cancer research bei der Konferenz LBG Meeting Innovation in Health Sciences 2023
Highlights
15 Jahre LBI HO – Jubiläumsmeeting
Das Ludwig Boltzmann Institut für Hämatologie und Onkologie feierte am 29. Juni 2023 sein 15-jähriges Jubiläum mit einer internationalen Konferenz. Die Veranstaltung begann mit einem aufschlussreichen historischen Überblick, der den Werdegang des Instituts nachzeichnete und seine Rolle bei der Weiterentwicklung der Hämatologie und Onkologie in Österreich hervorhob. In weiteren Vorträgen wurden die neuesten Entwicklungen in der ´Personalisierten Präzisionsmedizin´ diskutiert und neue im LBI HO entwickelte Therapiekonzepte vorgestellt, welche darauf abzielen, Leukämiestammzellen in myeloischen Neoplasien und Mastzellneoplasien zu eliminieren und damit bessere Therapieresultate zu erzielen.
Makrophagen – Histiozyten – Mastzell-Symposium
Das LBI HO veranstaltete vom 30. Juni bis 1. Juli 2023 in Wien ein internationales Symposium zur Bedeutung der Monozyten, Makrophagen, Histiozyten und Mastzellen in diversen Krankheitsmodellen. Forscher/innen und Experten/innen aus verschiedenen Ländern kamen zusammen, um ihr Wissen und ihre Erkenntnisse über die Rolle dieser Zellen in verschiedenen physiologischen und pathologischen Prozessen auszutauschen. Das Symposium präsentierte auch Daten zum aktuellen Wissensstand über neue Diagnosemethoden, Behandlungsansätzen und der Verwendung künstlicher Intelligenz in der Hämatologie.
PhD für Yüksel Filik
Yüksel Filik schloss erfolgreich ihr PhD-Studium am LBI HO ab, in welchem sie sich mit der Überwindung der Resistenz der leukämischen Stammzellen und der Modulation der Stammzellnische in der chronisch myeloischen Leukämie beschäftigte. Sie wird auch weiterhin am LBI HO tätig sein und als Postdoc mit dem Schwerpunkt leukämische Stammzellnische das Team des LBI HO unterstützen.
Ausgewählte Publikationen
New Insights into the Pathogenesis of Mastocytosis: Emerging Concepts in Diagnosis and Therapy. Valent P, Akin C, Sperr WR, Horny HP, Arock M, Metcalfe DD, Galli SJ
DNA polymerase θ protects leukemia cells from metabolically induced DNA damage. Vekariya U, Toma M, Nieborowska-Skorska M, Le BV, Caron MC, Kukuyan AM, Sullivan-Reed K, Podszywalow-Bartnicka P, Chitrala KN, Atkins J, Drzewiecka M, Feng W, Chan J, Chatla S, Golovine K, Jelinek J, Sliwinski T, Ghosh J, Matlawska-Wasowska K, Chandramouly G, Nejati R, Wasik M, Sykes SM, Piwocka K, Hadzijusufovic E, Valent P, Pomerantz RT, Morton G, Childers W, Zhao H, Paietta EM, Levine RL, Tallman MS, Fernandez HF, Litzow MR, Gupta GP, Masson JY, Skorski T
ABCC1 and glutathione metabolism limit the efficacy of BCL-2 inhibitors in acute myeloid leukemia. Ebner J, Schmoellerl J, Piontek M, Manhart G, Troester S, Carter BZ, Neubauer H, Moriggl R, Szakács G, Zuber J, Köcher T, Andreeff M, Sperr WR, Valent P, Grebien F
Expression and regulation of Siglec-6 (CD327) on human mast cells and basophils. Smiljkovic D, Herrmann H, Sadovnik I, Gamperl S, Berger D, Stefanzl G, Eisenwort G, Hoermann G, Kopanja S, Dorofeeva Y, Focke-Tejkl M, Jaksch P, Hoetzenecker K, Szepfalusi Z, Valenta R, Arock M, Valent P
Phenotypic characterization of disease-initiating stem cells in JAK2- or CALR-mutated myeloproliferative neoplasms. Ivanov D, Milosevic Feenstra JD, Sadovnik I, Herrmann H, Peter B, Willmann M, Greiner G, Slavnitsch K, Hadzijusufovic E, Rülicke T, Dahlhoff M, Hoermann G, Machherndl-Spandl S, Eisenwort G, Fillitz M, Sliwa T, Krauth MT, Bettelheim P, Sperr WR, Koller E, Pfeilstöcker M, Gisslinger H, Keil F, Kralovics R, Valent P
Das Team
Leitung
Univ.-Prof. Dr. Peter Valent
Leiter
Ao. Univ.-Prof. Mag. Thomas Grunt
Stv. Leiter
Dr. Emir Hadzijusufovic
Administrativer Manager