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Zeckenbiss
unter der Lupe
LBI for Rare and Undiagnosed Diseases Jede zweite Zecke in Österreich kann Krankheiten übertragen. Dazu gehören vor allem die Frühsommer-Meningoenzephalitis und die Lyme-Borreliose. Während es seit Jahrzehnten eine wirksame Impfung gegen die gefährliche Frühsommer-Meningoenzephalitis gibt, kann Borreliose nur mit einer Antibiotika-Kur behandelt werden – wenn sie entdeckt wird. Warum die kleinen Spinnentiere so gefährliche Krankheitsüberträger sind, war lange Zeit unklar.
Bei einer Verletzung wird unsere Haut stärker durchblutet, um Entzündungen vorzubeugen. Krankheitserreger werden auf diese Weise schnell abgewehrt. Bei einem Zeckenbiss scheitert diese körpereigene Immunabwehr der Haut. Warum das so ist, haben Johanna Strobl und Georg Stary mit ihrem Team am LBI for Rare and Undiagnosed Diseases untersucht. Laut ihrer Hypothese könnte der Speichel von Zecken die Immunabwehr der Haut an der Bissstelle unterdrücken. Damit begeben sich die Wissenschaftler:innen auf neues Terrain: Erstmals wurden Immunzellen beim Ansaugen der Zecke auf der Haut und in Blutproben systematisch untersucht. Dafür analysierten sie Hautbiopsien von 18 Studienteilnehmer:innen nach einem Zeckenbiss und bewerteten die Anzahl der Leukozyten in deren Blut. Sie verglichen die Leukozytenzusammensetzung an der Zeckenbissstelle mit einer unversehrten Hautprobe der Teilnehmer:innen. Zusätzlich arbeiteten sie mit einem menschlichen Hautprobemodell, um erste Schritte der Wirt-Pathogen-Interaktion zu untersuchen.
An der Stelle des Zeckenbisses entdeckten die Wissenschaftler:innen eine deutliche und rasche Immunmodulation. Besonders T-Zellen sind durch den Zeckenspeichel gestört. Dadurch ist die Abwehrfunktion der Haut geschwächt. Krankheitserreger haben es leicht, sich zu vermehren, was letztendlich zu einer Infektion führen kann. Dabei sei nicht nur das lokale Immunsystem betroffen, sondern auch Lymphozyten im peripheren Blut, so die Studie. Diese systemisch-immunologischen Veränderungen sind für die Übertragung von Krankheitserregern entscheidend.
Um die Übertragung der Krankheitserreger beim Zeckenbiss besser zu verstehen, injizierten die Wissenschaftler:innen die häufigsten Borreliose-Stämme in ein Hautprobemodell und untersuchten die unmittelbare Leukozytenreaktion. Bei einer weiteren Untersuchung injizierten sie die Krankheitserreger zusammen mit Zeckenspeichelproteinen, um einen Zeckenbiss nachzuahmen. Die Ergebnisse zeigten eine immunsuppressive Wirkung der Zeckenspeichelproteine auf neutrophile Granulozyten, Lymphozyten und Makrophagen. Die lokale Konsequenz der gehemmten Immunantwort war eine erhöhte Erregerlast.
Mit den Ergebnissen könnten zukünftig Impfstoffe entwickelt werden, die gezielt Zellen ansprechen, die von der Immunmodulation nicht betroffen sind. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler:innen am LBI for Rare and Undiagnosed Diseases die möglichen Folgen für die Entwicklung einer Lyme-Borreliose untersucht. In Mitteleuropa ist sie die häufigste Krankheit, die durch Zecken ausgelöst wird. Weitere Studien sollen die immunologischen Veränderungen durch Zeckenspeichelproteine bei anderen von Zecken übertragenen Krankheiten untersuchen.
Highlights
11th International Conference on Rare and Undiagnosed Diseases
Im November 2022 veranstaltete das LBI-RUD gemeinsam mit den National Institutes of Health (USA) und der Medizinischen Universität Wien die 11th International Conference on Rare and Undiagnosed Diseases im van Swieten Saal der MedUni Wien, um über die Zukunft der Erforschung seltener Krankheiten und ihre aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu sprechen. Unterstützt wurden sie dabei von der St. Anna Kinderkrebsforschung und dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Neues Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Institutsleiter Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Kaan Boztug ist seit 2022 korrespondierendes Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse im Inland der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Ernennung erfolgte in Würdigung seiner herausragenden wissenschaftlichen Leistungen in den letzten Jahren.
Ferdinand von Hebra-Preis
Assoz.-Prof. Dr. med. Georg Stary hat im Rahmen der Jahrestagung 2022 der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie den Ferdinand von Hebra-Preis, der nur alle zwei Jahre verliehen wird, erhalten. Der Preis wird für ein zusammenhängendes Opus mehrerer Publikationen verliehen, die zu einem signifikanten Fortschritt auf dem Gebiet der dermatologischen und/oder venerologischen Forschung beigetragen haben.
Ausgewählte Publikationen
Disturbances in microbial skin recolonization and cutaneous immune response following allogeneic stem cell transfer. Bayer N … Stary G
FIBCD1 is an edocytic GAG receptor associated with a novel neurodevelopmental disorder. Fell CW, Hagelkruys A … Nagy V
Curation and expansion of Human Phenotype Ontology for defined groups of inborn errors of immunity. Haimel M, Pazmandi J … van Gijn M#, Boztug K# (# shared senior authorship)
Assessment of portal hypertension severity using machine learning models in patients with compensated cirrhosis. Reinis J, Petrenko O … Reiberger T
Tick feeding modulates the human skin immune landscape to facilitate tick-borne pathogen transmission. Strobl J … Stary G
Das Team
Leitung
Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. med. Kaan Boztug
Leitung
Assoz.-Prof. Priv.-Doz. Dr. med. univ. Georg Stary
Co-Leitung
Dr. Christiane Druml
Stv. Leiterin