Projektende
mit Auftrag

Forschungsgruppe „Village – How to raise the village to raise the child“ (ausgelaufen: 8/2022)

Zielgerichtete präventive Angebote für Familien, in denen ein Elternteil psychisch erkrankt ist, sind rar und wenig erforscht – besonders im ländlichen Raum. Das geht auf Kosten der Kinder, die von der instabilen Familiensituation oft am stärksten betroffen sind. In den letzten viereinhalb Jahren haben Wissenschaftler:innen der LBG und der Medizinischen Universität Innsbruck die Situation von Kindern mit psychisch erkranktem Elternteil in Tirol analysiert und Konzepte zur Verbesserung ihrer Lebensqualität erarbeitet.

Nach viereinhalb Jahren mit 30 begleiteten Familien, zahlreichen Publikationen und einer Social-Media-Kampagne, um die breite Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, wurde das LBG Forschungsprojekt Village 2022 abgeschlossen.

„Präventive Unterstützung für Kinder und Jugendliche von psychisch erkrankten Eltern ist unverzichtbar, um die transgenerationale Übertragung psychischer Erkrankungen zu durchbrechen“, erklärt Philipp Schöch, Projektkoordinator bei Village. Das Ziel des Forschungsprojekts war deshalb, ein Screening und Unterstützungsprogramm für betroffene Familien in Tirol zu entwickeln, umzusetzen und zu evaluieren.

Die Forscher:innen erarbeiteten ein Konzept für eine partizipative Forschungs-Praxis-Partnerschaft, die möglichst viele relevante Organisationen und Berufsgruppen einbinden und dabei gleichzeitig die Perspektive von Menschen mit gelebter Erfahrung einbeziehen sollte. Das Programmkonzept wurde im Rahmen von sechs Workshops gemeinsam mit diesen Partner:innen erstellt. Nach jedem Workshop gab es ein Feedback zu den Ergebnissen von einer Gruppe junger Erwachsener, die mit psychisch erkrankten Eltern aufwuchsen.

Entstanden ist ein Unterstützungsprogramm für Familien. Bei einem ersten Screening wurden Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung waren, mit einem kurzen, standardisierten Fragebogen nach Kindern befragt. Danach wurde ihnen als Familie die kostenlose Teilnahme am Unterstützungsprogramm angeboten. Bei Einwilligung begleitete ein bzw. eine sogenannte Village-Koordinator:in ihr Familienleben über mehrere Monate. In einem ersten Schritt wurden wichtige Bezugspersonen für die betroffenen Kinder identifiziert. Ausgehend von Alltagssituationen überlegten alle Beteiligten bei einem Netzwerktreffen, wer regelmäßig unterstützen könnte, um Überlastungen aller Familienmitglieder in Zukunft zu verhindern – vor allem in Krisensituationen. Einige Wochen nach diesem Treffen gab es eine gemeinsame Reflexion. Auch die Kinder wurden den ganzen Prozess über mit altersadäquaten, spielerischen Elementen aufgefordert, ihre Sichtweise einzubringen. Die Village-Koordinator:innen unterstützten die Familien dabei, ihr Leben wieder verstärkt selbst in die Hand zu nehmen und zu lernen, ihr soziales Netz mittelfristig selbst zu organisieren. Im Dezember 2021 endete das Pilotprogramm. 2022 evaluierten die Mitglieder des Teams der LBG Forschungsgruppe Interviews, die sie laufend mit allen Beteiligten geführt hatten. Zusätzlich werteten sie Fragebögen aus, die alle Familien vor und nach dem Unterstützungsprogramm beantwortet hatten.

Die Daten zeigen, dass alle Familienmitglieder vor Programmbeginn stark belastet waren, einerseits durch den Gesundheitszustand des erkrankten Elternteils und die übermäßige Verantwortung, aber auch wegen der Stigmatisierung im Alltag. Durch das Programm wurde die Kommunikation über die psychische Erkrankung innerhalb und außerhalb der Familie verbessert. Laut Daten hat dies zu einer positiven Eltern-Kind-Beziehung, zu mehr Wissen über die Erkrankung, aber vor allem auch zur Bereitschaft des erkrankten Elternteils geführt, Unterstützung anzunehmen.

Nach viereinhalb Jahren mit 30 begleiteten Familien, zahlreichen Publikationen und einer Social-Media-Kampagne, um die breite Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, wurde das LBG Forschungsprojekt Village 2022 abgeschlossen. Die Forscher:innen hoffen, dass auch in Zukunft forschungsgeleitete Versorgungskonzepte in der Praxis umgesetzt werden. Denn der Bedarf sei weiterhin hoch. „Derzeit besteht in Österreich ein besorgniserregender Mangel hinsichtlich entsprechender Angebote, welcher langfristig zu erheblichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten führt“, meint Philipp Schöch. Es sei daher dringend notwendig, in diese Art von Unterstützung zu investieren, nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch im Interesse unserer Gesellschaft als Ganzes, so der Projektkoordinator abschließend.

Highlights

Pint of Science Festival 2022

An drei Tagen im Mai wird Wissenschaft aus den Laboren in Pubs und Lokale geholt. 2022 konnte die LBG Forschungsgruppe dabei das Projekt Village der breiten Öffentlichkeit vorstellen und gleichzeitig auf die Problematik von Kindern mit psychisch erkranktem Elternteil hinweisen.

Eine Informationsveranstaltung mit Messeständen in einer Halle

Lange Nacht der Forschung 2022

Beitrag der LBG Forschungsgruppe am 20. Mai 2022 war eine Mitmachstation für Kinder. Diese konnten dabei ihr soziales Netzwerk visualisieren und gleichzeitig lernen, wie das soziale Netzwerk von Kindern und Jugendlichen mit psychisch erkranktem Elternteil gestärkt werden kann.

Vortrag in einem gefüllten Seminarraum

Abschlussevent

Ergebnisse aus dem Village-Projekt wurden am 26. September 2022 in Innsbruck präsentiert. Rund 70 Teilnehmer:innen konnten im Rahmen einer Podiumsdiskussion das Projekt aus verschiedenen Perspektiven kennenlernen. Sie zeigten großes Interesse, an den Ansätzen von Village – wie Entstigmatisierung, Prävention und Psychoedukation – weiterzuarbeiten.

Ausgewählte Publikationen

How Do Children of Parents With Mental Illness Experience Stigma? A Systematic Mixed Studies Review. Dobener L-M, Fahrer J, Purtscheller D, Bauer A, Paul JL and Christiansen H

Front. Psychiatry 13:813519. DOI:10.3389/fpsyt.2022.813519

Development of an Evidence-Informed and Codesigned Model of Support for Children of Parents With a Mental Illness— “It Takes a Village” Approach. Goodyear M, Zechmeister-Koss I, Bauer A, Christiansen H, Glatz-Grugger M and Paul JL

Front. Psychiatry 12:806884. DOI:10.3389/fpsyt.2021.806884

Practices to support co-design processes: A case-study of co-designing a program for children with parents with a mental health problem in the Austrian region of Tyrol. Zechmeister-Koss I, Aufhammer S, Bachler H, Bauer A, Bechter P, Buchheim A, Christiansen H, Fischer M, Franz M, Fuchs M, Goodyear M, Gruber N, Hofer A, Hölzle L, Juen E, Papanthimou F, Prokop M and Paul JL

Int J Mental Health Nurs. DOI:10.1111/inm.13078

Das Team

Besonders für Kinder von psychisch erkrankten Eltern ist ein aktives soziales Unterstützungsnetzwerk wichtig, um ihnen dabei zu helfen, ihre Erfahrungen zu verarbeiten, ihr Wohlbefinden zu fördern und ihnen die Chance zu geben, trotz der Herausforderungen, die ihre Familie möglicherweise durchmacht, ein positives und gesundes Leben zu führen.

Philipp Schöch, MSc

Leitung

Dr. Jean Paul, PhD, BASc, BSc (Hons)

Leiterin

1
Postdocs
3
PhD-Student:innen/Dissertant:innen
1
Diplomand:innen/Masterstudent:innen
3
Wissenschaftliches Forschungspersonal
2
Administratives Personal
1
Sonstiges Personal

Partner

Medizinische Universität Innsbruck (AT)
London School of Economics (UK)
Monash University (AUS)
Philipps-Universität (DE)
Stand: August 2022

Wissenschaftlicher Beirat

Dr. Clemens BlümelHumboldt-Universität zu Berlin, Freie Universität Berlin (DE)
Dr. Sara Evans-LackoThe London School of Economics and Political Science (UK)
Prof. Dr. Heidi HamiltonGeorgetown University (US)
Dr. Christian KloßSeelenerbe eV (DE)
Mag. Joy LadurnerHilfe für Angehörige psychisch Erkrankter (AT)
Prof. Dr. Tytti SolantusNational Institute for Health and Welfare, Finnish Association for Mental Health (FIN)
Dr. Erin TurbittUniversity of Technology Sydney (AUS
Stand: August 2022

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