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Digitale Rettung
LBI für Archäologische Prospektion und Virtuelle ArchäologieArchäologische Ausgrabungsstätten und Ruinen sind den Gesetzen der Natur ausgeliefert. Durch den Klimawandel und die damit einhergehenden Wetterextreme sind sie immer häufiger gefährdet. Dass auch tausend Jahre alte Ruinen Opfer heftiger Regenschauer werden können, zeigte sich 2022 in Peru: Dort stürzten Teile der Festungsmauer einer bedeutsamen Chachapoyas-Siedlung ein.
Um dem Verfall entgegenzuwirken, wurde das LBI für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie beauftragt, seine Expertise im Bereich der digitalen Dokumentation von Kulturdenkmälern in Kuélap einzubringen. Entstanden ist ein digitales 3D-Geländemodell, das die Grundlage für zukünftige Monitoring-Strategien und einen virtuellen Zugang zu der peruanischen Kulturstätte bietet.
Kuélap liegt knapp 3.000 Meter über dem Meeresspiegel im Norden Perus. Die ehemalige Festungsanlage beherbergt auf dem rund sechs Hektar großen Gelände etwa 500 Gebäude. Errichtet wurde sie von den Chachapoyas, die bis ins 16. Jahrhundert die nordöstlichen Anden bevölkerten. Über das Leben des präkolumbianischen Andenvolkes ist wenig bekannt, umso wertvoller sind archäologische Funde der rätselhaften Kultur. Steile Abhänge und eine rund 25 Meter hohe Festungsmauer schützten die rund 5.000 Einwohner:innen Kuélaps vor Eindringlingen. Teile davon stürzten im April 2022 nach heftigen Regenfällen ein.
Österreich und Peru verbindet seit den 1990er Jahren, nach einem Fund von Mumien der Chachapoyas, ein reger wissenschaftlicher Austausch. Schon 2019 war das LBI für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie in Kuélap, um einige Abschnitte der Festungsanlage digital zu erfassen. „Es ist ein echter Glücksfall, dass wir die 25 Meter hohe und 15 Meter lange Festungsmauer schon vor dem Einsturz gescannt haben“, erzählt Physiker und Archäologe Matthias Kucera. Auf Einladung der UNESCO und des peruanischen Kulturministeriums reiste Kucera mit seinem Kollegen Gerhard Stüttler nach dem Einsturz erneut nach Peru, um den Rest der Anlage mithilfe neuester österreichischer Laserscanning-Technologie zu dokumentieren. Denn der beliebte Touristenhotspot, der 2017 durch die Errichtung einer Seilbahn leichter zugänglich gemacht wurde, ist seit dem Einsturz geschlossen.
Zwei Wochen dauerte der Feldeinsatz der Archäologen im teils unwegsamen Gelände des peruanischen Kulturerbes. „Die physischen Herausforderungen auf 3.000 Metern mit 15 Kilogramm schwerer Ausrüstung sind nicht zu unterschätzen“, erzählt Kucera lachend. Die Anlage sei zum Teil überwachsen und das terrestrische Laserscanning dadurch schwieriger durchzuführen. Neben den Schwierigkeiten an Ort und Stelle würden kurzfristig geplante Prospektionen oft an der Verfügbarkeit von technischen Geräten und den Einreisebedingungen scheitern, so der Archäologe weiter. Dank der Einladung der UNESCO und der großzügigen Leihgabe eines Hochleistungs-Laserscanners der Firma RIEGL konnte der Feldeinsatz rasch und reibungslos durchgeführt werden. „Wir wurden bei unserer Arbeit von internationalen Geophysikern und einem Team von National Geographic unterstützt“, beschreibt Kucera das Projekt. Mithilfe der unterschiedlichen Datensätze konnte das LBI ArchPro-Team ein hochaufgelöstes digitales 3D-Geländemodell der gesamten Festungsanlage erstellen.
Damit können die Wissenschaftler:innen in Peru die Anlage mit tagesaktuellen Drohnenaufnahmen vergleichen und beobachten, ob weitere Bereiche gefährdet sind. Zusätzlich zum Monitoring ermöglicht das virtuelle Geländemodell, das peruanische Kulturerbe ortsunabhängig zu erleben. „Die virtuelle Archäologie bietet die Möglichkeit, zu reisen, ohne die Folgen des Massentourismus in Kauf nehmen zu müssen und ohne großen CO2-Fußabdruck zu hinterlassen“, erklärt der Archäologe, der sich auch intensiv mit Umweltschutz und Umweltarchäologie beschäftigt. Mit dem Projekt in Peru konnte das LBI für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie die Grundlage für die virtuelle Erhaltung von Kuélap und damit den Zugang zukünftiger Generationen zu dieser bedeutsamen südamerikanischen Kulturstätte sichern.
Highlights
Forschungsfest NÖ
Beim Forschungsfest Niederösterreich konnten Interessierte bei der Station des LBI ArchPro Wissenswertes über archäologische Prospektion erfahren und auf einem interaktiven Touchscreen virtuelle Rekonstruktionen archäologischer Fundstellen erkunden.
3D-Visualisation
In einer renommierten Fachzeitschrift stellte das LBI ArchPro seine neue Softwareentwicklung für die 3D-Visualisierung komplexer Bodenradar-Daten vor. Damit wird die digitale Erforschung im Boden verborgener archäologischer Fundstellen – wie dem Forum in Carnuntum – noch effizienter und exakter.
Europäische Zusammenarbeit
Die kombinierte Auswertung von geophysikalischen Prospektionsdaten und Grabungsergebnissen im Rahmen des EU-Interreg-DTP-Projekts Living Danube Limes ermöglichte eine umfassende virtuelle Rekonstruktion des römischen Kastells Iža in der Slowakei.
Ausgewählte Publikationen
3D Visualization Techniques for Analysis and Archaeological Interpretation of GPR Data. Bornik, Alexander; Neubauer, Wolfgang
History and Archaeology in Discourse on the Dernberg – Reconstructing the Historical Landscape of a Medieval Motte-and-Bailey Castle and Deserted Village. Filzwieser, Roland; Ruß, David; Kucera, Matthias; Doneus, Michael; Hasenhündl, Gerhard; Verhoeven, Geert Julien Joanna; Zotti, Georg; Lenzhofer, Andreas; Stüttler, Gerhard; Pisz, Michal; Neubauer, Wolfgang
Stratigraphy from Topography I. Theoretical and Practical Considerations for the Application of the Harris Matrix for the GIS-based Spatio-temporal Archaeological Interpretation of Topographical Data. Neubauer, Wolfgang; Traxler, Christoph; Bornik, Alexander; Lenzhofer, Andreas
Untersuchungen zu einer möglichen Fullonica in der Zivilstadt von Carnuntum. Teichmann, Michael; Wallner, Mario; Pollhammer, Eduard; Neubauer, Wolfgang
Interdisciplinary Investigations of the Neolithic Circular Ditch Enclosure of Velm. Wallner, Mario; Doneus, Michael; Kowatschek, Ingrid; Hinterleitner, Alois; Köstelbauer, Felix; Neubauer, Wolfgang
Das Team
Leitung
PD ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Wolfgang Neubauer
Leiter
Mag. Dr. Matthias Kucera
Stv. Leiter
Prof. Dr. Geert Verhoeven
Stv. Leiter