Nebenwirkungen
auf der Spur

LBI für Hämatologie und Onkologie

Ponatinib wird seit rund zehn Jahren zur Behandlung von chronisch myeloischen und akuten lymphatischen Leukämien eingesetzt, die eine BCR::ABL1-Mutation aufweisen. Bis heute ist es in der Gruppe der BCR::ABL1-Inhibitoren – Imatinib, Nilotinib, Dasatinib, Bosutinib, Asciminib, Ponatinib – der einzige Wirkstoff, der die T315I-Mutation unterdrücken kann. Leider weist Ponatinib auch Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Risiko für Gefäßverschlusserkrankungen auf. Das LBI für Hämatologie und Onkologie, kurz LBI HO, untersucht mögliche Mechanismen für diese teilweise schweren Nebenwirkungen, um so die Einsatzmöglichkeiten zu verbessern.

Die Wissenschaftler:innen haben ihre Erfahrungen aus der Analyse der physiologischen Prozesse hinter den Nebenwirkungen von Nilotinib und Ponatinib genützt, um eine Plattform zu etablieren, wo auch andere Medikamente auf ihr gefäßschädigendes Potenzial untersucht werden.

Schon 2017 konnte das Forschungsteam um Emir Hadzijusufovic am LBI HO Nebenwirkungsmechanismen des Wirkstoffs Nilotinib aufdecken. In mehreren Studien hatte sich gezeigt, dass Patient:innen, die täglich das Medikament erhielten, häufiger von Gefäßverschlusserkrankungen betroffen waren als diejenigen, die mit Imatinib behandelt wurden. Die Wissenschaftler:innen entdeckten einen direkten Einfluss des Medikaments auf die Endothelzellen der Blutgefäße, der in der Folge zu Atherosklerose und Gefäßverschluss führen kann. Als Risikofaktoren für das Auftreten von Nebenwirkungen identifizierten die Wissenschaftler:innen unter anderem hohen Blutdruck, erhöhtes Cholesterin und Rauchen. Risikopatient:innen werden seitdem mit einem anderen Tyrosinkinase-Inhibitor behandelt.

„Anders als bei Nilotinib gibt es bei Vorliegen der T315I-Mutation für Ponatinib keine Alternativmedikamente“, sagt Emir Hadzijusufovic, Erstautor der Studie. Umso wichtiger ist es für ihn und sein Team, die Auslöser für die vaskulären Probleme zu finden, die das Medikament verursachen kann. Die Wissenschaftler:innen untersuchten die Wirkung von Ponatinib in der Petrischale und im Mausmodell. Dabei zeigte sich, dass auch Ponatinib Einfluss auf Endothelzellen hat. In unterschiedlichen Testsystemen konnte das Forschungsteam feststellen, dass Ponatinib verschiedene Zellrezeptoren hemmt – etwa den VEGF2-Rezeptor, der für die Entstehung neuer Blutgefäße maßgeblich ist. Auch Insulinrezeptoren in Endothelzellen der Herzkranzgefäße wurden durch den BCR::ABL1-Inhibitor gehemmt. Ponatinib regte außerdem den Endothelzelltod an. In einem Vernetzungsmodell der Nabelschnur-Endothelzellen zeigte Ponatinib die stärkste Hemmwirkung im Vergleich zu anderen BCR::ABL1-Inhibitoren. Aus den vorläufigen Ergebnissen ziehen Hadzijusufovic und seine Kolleg:innen den Schluss, dass auch Ponatinib mehrere Endothelzellfunktionen negativ beeinflusst und dadurch zu Gefäßverschlüssen führen kann.

Noch sei es schwer, vorherzusagen, welche Auswirkungen die Ergebnisse auf die Behandlung von Patient:innen haben werden, so der Key-Researcher am LBI HO, und weiter: „Wir hoffen, mit unserer Forschung Patient:innen mit einem höheren Risiko für Gefäßverschlüsse bei der Behandlung mit Ponatinib genauer identifizieren zu können.“ Ihre Erfahrungen aus der Analyse der physiologischen Prozesse hinter den Nebenwirkungen von Nilotinib und Ponatinib haben die Wissenschaftler:innen genützt, um eine Plattform zu etablieren, wo auch andere Medikamente auf ihr gefäßschädigendes Potenzial untersucht werden. Eine Zusammenfassung mit vorläufigen Ergebnissen der Ponatinib-Studie wurde Anfang des Jahres als eines der „Best Abstracts“ bei der Frühjahrstagung 2023 der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie und der Arbeitsgemeinschaft hämatologischer und onkologischer Pflegepersonen in Österreich gewählt.

Highlights

20 Jahre Vienna Cancer Stem Cell Club

Das LBI HO war Mitorganisator der Feier zum 20-jährigen Jubiläum des Vienna Cancer Stem Cell Club (VCSCC). Der VCSCC wurde im Jahr 2003 von Wiener Wissenschaftler:innen gegründet, um die Forschung auf dem Gebiet der Krebsstammzellen zu fördern.

Ehrung für Institutsleiter

Peter Valent erhielt den K. Frank Austen Lifetime Achievement Award der American Initiative in Mast Cell Diseases für seine Führungsrolle in der Mastozytose-Community und seine Arbeit, die einen großen Beitrag dazu leistet, Menschen mit Mastzellerkrankungen auf der ganzen Welt zu helfen.

Auszeichnungen der Vetmeduni

Emir Hadzijusufovic wurde als meistzitierter Wissenschaftler des klinischen Bereiches sowie gemeinsam mit Dr. Michael Willmann als Erfinder des Jahres der Vetmeduni Vienna ausgezeichnet. Die Auszeichnungen sind ein weiteres sichtbares Merkmal der langjährigen und sehr erfolgreichen Kooperation zwischen dem LBI HO und der Vetmeduni Vienna.

Ausgewählte Publikationen

Defining cardiovascular toxicities of cancer therapies: an International Cardio-Oncology Society (IC-OS) consensus statement. Herrmann J, Lenihan D, Armenian S, Barac A, Blaes A, Cardinale D, Carver J, Dent S, Ky B, Lyon AR, López-Fernández T, Fradley MG, Ganatra S, Curigliano G, Mitchell JD, Minotti G, Lang NN, Liu JE, Neilan TG, Nohria A, O’Quinn R, Pusic I, Porter C, Reynolds KL, Ruddy KJ, Thavendiranathan P, Valent P

Eur Heart J. 2022 Jan 31;43(4):280-299. doi: 10.1093/eurheartj/ehab674. PMID: 34904661; PMCID: PMC8803367

Expression and Regulation of Siglec-6 (CD327) on Human Mast Cells and Basophils. Smiljkovic D, Herrmann H, Sadovnik I, Gamperl S, Berger D, Stefanzl G, Eisenwort G, Hoermann G, Kopanja S, Dorofeeva Y, Focke-Tejkl M, Jaksch P, Hoetzenecker K, Szepfalusi Z, Valenta R, Arock M, Valent P

. J Allergy Clin Immunol. 2022 Aug 8:S0091-6749(22)01044-2. doi: 10.1016/j.jaci.2022.07.018. Epub ahead of print. PMID: 35953001

Superior Efficacy of Midostaurin Over Cladribine in Advanced Systemic Mastocytosis: A Registry-Based Analysis. Lübke J, Schwaab J, Naumann N, Horny HP, Weiß C, Metzgeroth G, Kreil S, Cross NCP, Sotlar K, Fabarius A, Hofmann WK, Valent P, Gotlib J, Jawhar M, Reiter A

J Clin Oncol. 2022 Jun 1;40(16):1783-1794. doi: 10.1200/JCO.21.01849. Epub 2022 Mar 2. PMID: 35235417

PD-L1 overexpression correlates with JAK2-V617F mutational burden and is associated with 9p uniparental disomy in myeloproliferative neoplasms. Milosevic Feenstra JD, Jäger R, Schischlik F, Ivanov D, Eisenwort G, Rumi E, Schuster M, Gisslinger B, Machherndl-Spandl S, Bettelheim P, Krauth MT, Keil F, Bock C, Cazzola M, Gisslinger H, Kralovics R, Valent P

Am J Hematol. 2022 Apr;97(4):390-400. doi: 10.1002/ajh.26461. Epub 2022 Jan 21. PMID: 35015307; PMCID: PMC9306481

BRD4 degradation blocks expression of MYC and multiple forms of stem cell resistance in Ph+ chronic myeloid leukemia. Peter B, Eisenwort G, Sadovnik I, Bauer K, Willmann M, Rülicke T, Berger D, Stefanzl G, Greiner G, Hoermann G, Keller A, Wolf D, Čulen M, Winter GE, Hoffmann T, Schiefer AI, Sperr WR, Zuber J, Mayer J, Valent P

Am J Hematol. 2022 Sep;97(9):1215-1225. doi: 10.1002/ajh.26650. Epub 2022 Jul 18. PMID: 35794848; PMCID: PMC9546315

Das Team

Ich bin sehr stolz darauf, ein Teil des LBI HO zu sein, da ich mit meiner Arbeit einen wichtigen Beitrag zur internationalen Leukämieforschung leiste. Ich hoffe, dass aufgrund meiner Forschungsergebnisse die Entwicklung von neuen zielgerichteten Therapien für Patientinnen und Patienten ermöglicht wird.

LBI HO und Vetmeduni ViennaMag.a Katharina Slavnitsch

Leitung

Univ.-Prof. Dr. Peter Valent

Leiter

Ao. Univ.-Prof. Mag. Thomas Grunt

Stv. Leiter

Dr. Emir Hadzijusufovic

Administrativer Manager

8
Key-Researcher:innen
4
Postdocs
4
PhD-Student:innen/Dissertant:innen
8
Wissenschaftliche Fachkräfte
31
Wissenschaftliches Forschungspersonal
3
Administratives Personal

Partner

Medizinische Universität Wien (AT)
Veterinärmedizinische Universität Wien (AT)
Österreichische Gesundheitskasse (AT)
St. Anna Kinderkrebsforschung (AT)
Munich Leukemia Laboratory (DE)
IHR LABOR (AT)
TissueGnostics GmbH (AT)
Wiener Gesundheitsverbund (AT)
Stand: Mai 2023

Wissenschaftlicher Beirat

Prof. Kimmo PorkkaHelsinki University Hospital Comprehensive Cancer Center (FIN)
Prof. Michel ArockPitié-Salpêtrière University Hospital und ENS Paris Saclay (FR)
Prof. Cem AkinUniversity of Michigan (USA)
Stand: Mai 2023

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