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Supranormale Lungenfunktion
LBI für LungengesundheitWährend eine niedrige Lungenfunktion mit der Entwicklung von intrapulmonaler und extrapulmonaler Morbidität und Mortalität assoziiert wird, weisen Menschen mit einer überdurchschnittlich guten Lungenfunktion ein geringeres Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko auf. Das LBI für Lungengesundheit hat erstmals in Österreich die Prävalenz und die damit verbundenen Faktoren von supranormaler Lungenfunktion untersucht. Die Ergebnisse sollen die Erforschung einer systematisierten Prävention von Lungenerkrankungen und die Förderung der Lungengesundheit unterstützen.
Die Aufrechterhaltung einer optimalen Lungenfunktion während des gesamten Lebens ist wichtig für die allgemeine Gesundheit und die Langlebigkeit. Auf Populationsebene ist die Lungenfunktion normal verteilt, wobei das obere Ende dieses Lungenfunktionsspektrums als „supranormale“, also überdurchschnittlich hohe Lungenfunktion bezeichnet wird. Etwa 3,1 bis 3,4 Prozent der Bevölkerung weisen eine supranormale Lungenfunktion auf. Diese ist mit einem geringeren Morbiditätsrisiko und einem besseren allgemeinen Gesundheitszustand verbunden: Menschen mit überdurchschnittlich hoher Lungenfunktion altern gesünder. Es besteht daher ein zunehmendes Interesse an der Ätiologie und den Mechanismen der supranormalen Lungenfunktion, um Strategien zur Förderung der Lungengesundheit zu identifizieren: „Nur wenn wir herausfinden, warum jemand eine besonders gute Lungenfunktion entwickelt und über die Jahre behält, können wir auch die Erforschung systematisierter Prävention von Lungenkrankheiten und die Entwicklung personalisierter Medizin vorantreiben“, sagt Prim.a Priv.-Doz.in Dr.in Robab Breyer-Kohansal, Vorständin der Abteilung für Atmungs- und Lungenerkrankungen an der Klinik Hietzing in Wien und Gründungsmitglied sowie wissenschaftliche Leiterin der LEAD-Studie (Austrian Lung Heart Social Body Study) am LBI für Lungengesundheit.
Im Laufe des Lebens, beginnend mit der intrauterinen Periode, nimmt die Lungenfunktion aufgrund der Lungenentwicklung und des Wachstums der Atemwege bis zum jungen Erwachsenenalter (bei Frauen früher als bei Männern) zu. Danach stagniert sie und nimmt dann stetig aufgrund der Lungenalterung ab. Eine Beeinträchtigung in einer oder mehreren dieser Phasen (z.B. vermindertes Lungenfunktionswachstum, verkürztes Plateau oder beschleunigter Verlust der Lungenfunktion) kann dazu führen, dass sich eine Person am unteren Ende des Lungenfunktionsspektrums befindet.
Eine niedrige Lungenfunktion ist mit der Entwicklung von intrapulmonaler Morbidität (z.B. chronische Lungenerkrankungen, insbesondere chronisch obstruktive Lungenerkrankung [COPD]) und extrapulmonaler Morbidität (z.B. kardiometabolische Erkrankungen) und Mortalität assoziiert. Die Vorbeugung chronischer Lungenerkrankungen durch die Verbesserung des unteren Bereichs des Lungenfunktionsspektrums und die Förderung der Lungengesundheit durch das Erreichen und Erhalten des oberen Bereichs sind also zwei Säulen für eine optimale Lungen- und Allgemeingesundheit.
Anhand von Daten von 10.222 Teilnehmer:innen im Alter von 6 bis 82 Jahren aus der LEAD-Studie untersuchte das LBI für Lungengesundheit die Prävalenz und die damit verbundenen Faktoren von supranormalem FEV1 und FVC, definiert als ein Wert über dem Durchschnitt (upper limit of normal). Die Prävalenz von supranormalem FEV1 und FVC betrug 3,4 bzw. 3,1 Prozent. Diese Werte waren in den verschiedenen Altersgruppen (von der Kindheit bis zur Seneszenz) ähnlich. Die Daten lieferten neue Erkenntnisse über Charakteristika und assoziierte Faktoren der Untergruppe mit supranormaler Lungenfunktion. Besonders interessant ist, dass mehrere Faktoren mit einer supranormalen Lungenfunktion in Verbindung gebracht werden: Insbesondere weibliches Geschlecht, Körpergröße, eine geringere Prävalenz von Diabetes und höhere Muskelmasse waren mit besonders guter Lungenfunktion assoziiert.
„Wir sind eine der ersten Studien, die diese Vielzahl von individuellen Faktoren der supranormalen Lungenfunktion untersuchen“, so Breyer-Kohansal. Und weiter: „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Untergruppe mit supranormaler Lungenfunktion für die öffentliche Gesundheit, da sie ein geringeres Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko aufweist. Sie deuten darauf hin, dass die Förderung einer supranormalen Lungenfunktion wahrscheinlich die Belastung durch intra- und extrapulmonale Morbidität sowie die Mortalität für die Bevölkerung reduziert.“
Ein tiefgreifendes Verständnis der Determinanten der supranormalen Lungenfunktion ermöglicht die Entwicklung geeigneter Interventionen. Insbesondere müssen Faktoren ermittelt werden, die dazu führen, dass Neugeborene eine überdurchschnittliche Lungenfunktion haben und diese über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten, sowie Faktoren, die das Aufholen oder beschleunigte Wachstum bei Menschen mit niedriger oder normaler Lungenfunktion von Geburt an fördern.
In der Studie wurden deskriptive Statistiken verwendet. Daten von Studienteilnehmer:innen mit supranormaler Lungenfunktion wurden jenen mit normaler Lungenfunktion gegenübergestellt. Außerdem kam es zu einer Gegenüberstellung der Daten von Studienteilnehmer:innen mit supranormaler Lungenfunktion zu jenen von Teilnehmer:innen mit normaler Lungenfunktion, die eine ähnliche Demografik aufweisen wie die supranormale Gruppe. Zusätzlich wurden die multivariate Regressionsanalyse und die visuelle Darstellung der Zusammenhänge in einem Netzwerkdiagramm gezeigt.
Obwohl die Untersuchungen neue Erkenntnisse zutage gebracht haben, sind weitere Forschungsbemühungen notwendig, denn die Entwicklung der Lungenfunktion verläuft dynamisch. Auch das Muster dieser Entwicklung im Laufe der Zeit kann klinisch relevant sein. Eine supranormale Lungenfunktion zu einem bestimmten Zeitpunkt, wie sie im vorliegenden Projekt untersucht wurde, gewährleistet möglicherweise keine optimale Lungenfunktion im frühen oder späten Leben. So gibt es die Hypothese, dass es bei einigen Menschen mit supranormaler Lungenfunktion zu einem schnellen Verfall kommen kann. Auf der anderen Seite können einige Menschen mit unterdurchschnittlicher oder normaler Lungenfunktion aufholen und so in einem anderen Lebensabschnitt eine supranormale Lungenfunktion aufweisen. Risikofaktoren bzw. protektive Faktoren für eine supranormale Lungenfunktion zu verschiedenen Zeitpunkten können ebenfalls variieren: „In der Austrian LEAD Study werden dieselben Studienteilnehmer:innen derzeit bereits zum dritten Mal untersucht. Das bietet die einzigartige Möglichkeit der Auswertung von longitudinalen Daten für zukünftige Projekte“, so die wissenschaftliche Leiterin Breyer-Kohansal.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Personen zu einem oder mehreren Zeitpunkten oder als anhaltende Trajektorie im Laufe der Zeit eine supranormale Lungenfunktion aufweisen können. Ein besseres Verständnis der veränderbaren Faktoren für die supranormale Lungenfunktion, insbesondere der supranormalen Lungenverläufe, kann immense Möglichkeiten zur Förderung der Lungengesundheit mit sich bringen.
Highlights
Karrieresprung
Mit 1. Jänner 2023 wurde Frau Prim.a Priv.-Doz.in Dr.in Marie-Kathrin Breyer, PhD zur Vorständin der Abteilung für Atemwegs- und Lungenkrankheiten an der Klinik Penzing in Wien ernannt! Wir gratulieren ihr herzlichst! Ihre bisherigen beruflichen Stationen umfassten unter anderem ihre Tätigkeit als stellvertretende Institutsleiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengesundheit, sowie die Betreuung der Medizinstudent:innen der Sigmund Freud PrivatUniversität und der Medizinischen Universität Wien bei der Erstellung ihrer Master- und Diplomarbeiten. Sie ist Fachärztin für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin. Außerdem ist sie Gründungsmitglied der LEAD Studie, Wiens größter Lungengesundheitsstudie.
Poster Award
Dr. Christoph Valach hat mit seiner Einreichung Oscillometry in the assessment of early smoking induced airway changes zur Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) einen Posterpreis gewonnen.
Travel Grant
Dr. Hazim Abozid hat mit seiner Einreichung Oscillometry parameters in chronic cough zum European Respiratory Science Kongress den Travel Grant der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie gewonnen.
Ausgewählte Publikationen
Supranormal lung function: Prevalence, associated factors and clinical manifestations across the lifespan. Schiffers C, Faner R, Ofenheimer A, Sunanta O, Puchhammer P, Mraz T, Breyer MK, Burghuber OC, Hartl S, Agustí A, Breyer-Kohansal R
Prevalence of restrictive lung function in children and adults in the general population. Schiffers C, Ofenheimer A, Breyer MK, Mraz T, Lamprecht B, Burghuber OC, Hartl S, Wouters EFM, Breyer-Kohansal R
Asthma Prevalence and Phenotyping in the General Population: The LEAD (Lung, hEart, sociAl, boDy) Study. Schiffers C, Wouters EFM, Breyer-Kohansal R, Buhl R, Pohl W, Irvin CG, Breyer MK, Hartl S
Diagnostic Potential of Oscillometry: A Population-based Approach. Chiara Veneroni, Christoph Valach, Emiel F M Wouters, Alessandro Gobbi, Raffaele L Dellacà, Marie-Kathrin Breyer, Sylvia Hartl, Owat Sunanta, Charles G Irvin, Caspar Schiffers, Pasquale Pio Pompilio, Robab Breyer-Kohansal
The effect of body compartments on lung function in childhood and adolescence. Alina Ofenheimer, Marie-Kathrin Breyer, Emiel F M Wouters, Caspar Schiffers, Sylvia Hartl, Otto C Burghuber, Florian Krach, David M Maninno, Frits M E Franssen, Tobias Mraz, Patricia Puchhammer, Robab Breyer-Kohansal
Team
Leitung
Univ.-Prof.in Dr.in Sylvia Hartl, MBA
Leiterin (bis 12/2023)
Prim.a Priv.-Doz.in Dr.in Marie-Kathrin Breyer, PhD
Leiterin (seit 1/2024)