Klimawandel
und Migration

LBI für Grund- und Menschenrechte

Im Frühjahr 2023 präsentierte der Weltklimarat einen aktuellen Bericht über die Auswirkungen des Klimawandels. Ohne drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen wird die 1,5°C-Grenze bei der Erderwärmung schon im nächsten Jahrzehnt überschritten werden. Umweltkatastrophen wie Dürren, Überschwemmungen, Heuschreckenplagen oder Stürme werden häufiger und intensiver vorkommen. Als Konsequenz werden immer mehr Menschen ihre Herkunftsländer verlassen – vorübergehend oder dauerhaft. Seit 2008 forscht das LBI für Grund- und Menschenrechte (LBI-GMR) zu menschlicher Mobilität im Kontext des Klimawandels und analysiert in diesem Zusammenhang menschenrechtliche und soziale Herausforderungen.

Die Wissenschaftlerinnen des LBI-GMR konnten aufzeigen, dass Umweltfaktoren, insbesondere Dürrekatastrophen und Überschwemmungen, bereits eine Rolle bei der Mobilität nach Europa gespielt haben.

Die meisten Forschungsarbeiten fokussieren dabei auf den globalen Süden; klimawandelbezogene Migration und Flucht nach und innerhalb Europas sind wenig erforscht. Juristin Margit Ammer und Politikwissenschaftlerin Monika Mayrhofer beschäftigten sich in dem vom österreichischen Klimafonds geförderten Forschungsprojekt „ClimMobil – Judicial and policy responses to climate change-related mobility in the European Union with a focus on Austria and Sweden“ mit rechtlichen und politischen Fragen zu klimawandelbezogener Migration nach Europa. In Zusammenarbeit mit dem schwedischen Raoul Wallenberg Institute of Human Rights and Humanitarian Law untersuchten die Wissenschaftlerinnen des LBI-GMR den rechtlichen Status von Menschen in Schweden und Österreich, die aufgrund der Auswirkungen von Umweltkatastrophen ihr Herkunftsland verlassen haben oder deshalb nicht mehr zurückkehren können.

Die Forscherinnen analysierten Gerichtsentscheidungen zu internationalem und humanitärem Schutz beider Länder, in denen Umweltkatastrophen eine Rolle spielen. Mit einer Stichwortsuche in schwedischen und österreichischen Rechtsdatenbanken – mit Begriffen wie Hochwasser, Zyklon, Dürre oder Erdbeben – wurden allein in Österreich für den Zeitraum von Anfang Jänner 2008 bis Ende Juni 2020 fast 10.000 Entscheidungen gefunden. Für ihre Analyse der österreichischen Fallstudie wählten die Wissenschaftlerinnen 646 Fälle aus, in denen mindestens eines der gesuchten Stichwörter in der Beweiswürdigung oder der rechtlichen Begründung der Entscheidung aufgeführt wurde. In der schwedischen Fallstudie wurden aus 800 Entscheidungen 200 für die Analyse ausgewählt.

Die Wissenschaftlerinnen konnten aufzeigen, dass Umweltfaktoren, insbesondere Dürrekatastrophen und Überschwemmungen, bereits eine Rolle bei der Mobilität nach Europa gespielt haben. Österreichische Richter:innen setzten sich bei Menschen aus Somalia sehr detailliert und umfangreich mit den Auswirkungen der Dürre auf die Versorgungslage und die individuelle Situation auseinander. Sie berücksichtigten Umweltfaktoren zwar bei der rechtlichen Beurteilung bezüglich des Anspruchs auf subsidiären Schutz, nicht jedoch beim Flüchtlingsstatus und bei humanitären Schutzformen. Im Vergleich zu Schweden war auffällig, dass sich Richter:innen in Österreich viel intensiver als ihre schwedischen Kolleg:innen mit der Frage auseinandersetzten, ob und wie Umweltfaktoren bei der Gewährung eines rechtlichen Status zu beachten sind. In Schweden spielten Umweltfaktoren in den analysierten Entscheidungen kaum eine Rolle.

Aus dem Projekt sind mehrere Publikationen hervorgegangen: Neben einem Synthesis Report und einem Policy Brief wurden mehrere Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht. Die Wissenschaftlerinnen hoffen, mit ihren Publikationen national, aber auch auf EU-Ebene wichtige Diskussionen zum Thema „Migration und Klimawandel“ anzuregen. Denn Klima- und Umweltfaktoren kommt für Flucht und Migration nach Europa sowie deren rechtliche Bewertung bereits heute eine große Bedeutung zu, so ein Fazit des Projektes.

Highlights

Konstantina Stavrou und Michael Lysander Fremuth sitzen an einem Tisch und präsentieren Studienergebnisse

Workshop „The Nexus between Conflict-related Sexual Violence against Men, Boys and LGBTI+ Persons and Human Trafficking“

Das LBI-GMR organisierte im Mai 2022 gemeinsam mit der Princeton University und der Ständigen Vertretung Österreichs bei den Vereinten Nationen einen Workshop, der sich mit den Überschneidungen von konfliktbezogener sexueller Gewalt gegen Männer, Jungen sowie LGBTI+-Personen und Menschenhandel befasste. Neben Grundsatzreferaten wurden auch vorläufige Erkenntnisse einer Studie des Instituts zu konfliktbezogener sexueller Gewalt und Menschenhandel präsentiert.

Antrittsvorlesung n der Universität Wien

Dauerhafte Universitätsprofessur für Grund- und Menschenrechte

Institutsleiter Univ.-Prof. Dr. Michael Lysander Fremuth wurde mit Juli 2022 der Ruf auf die unbefristete Universitätsprofessur für Grund- und Menschenrechte durch die Universität Wien erteilt. Damit werden nicht zuletzt die Erfolge des LBI-GMR sowie der laufende Austausch und die vielfältigen Kooperationen zwischen der Universität Wien und dem LBI-GMR gewürdigt und für die Zukunft gesichert. Fremuth hat den Ruf im Oktober 2022 angenommen.

Zwei Frauen und ein Mann sitzen bei einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Wem gehört das Weltkulturerbe?“ vor dem Publikum

Human Rights Talk

Unter dem Titel „Wem gehört das Weltkulturerbe?“ diskutierten Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis im Dezember 2022 über den Schutz der Weltkulturgüter und kulturelle Aneignung. Mit der stark besuchten Veranstaltung im Volkskundemuseum Wien wurde zugleich das 30-jährige Bestehen des LBI-GMR gefeiert.

Ausgewählte Publikationen

Das Recht auf eine gesunde Umwelt in der Resolution 48/13 des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen und 76/300 der UN-Generalversammlung. Ammer, Margit

Nachhaltigkeitsrecht, 2. Jahrgang, Heft 3, September 2022. S. 336–339 pp. doi: 10.33196/nr202203033601

Externalisation. Access to Territorial Asylum, and International Law. Cantor, David/Feith Tan, Nikolas/Gkliati, Mariana/Mavropoulou, Elizabeth/Allinson, Kathryn/Reyhani, Adel-Naim [et al.]

International Journal of Refugee Law, Volume 34, Issue 1, March 2022 pp. 120–156

70 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention. Fremuth, Michael Lysander (Hrsg.)

Menschen.Rechte! – Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte, Band 1. Wien: MANZ Verlag

The future we want? Reflections on the excercise of the United Nations Security Council members‘ veto powers towards the International Criminal Court. Fremuth, Michael Lysander/Stavrou, Konstantina

Max Planck Yearbook of United Nations Law. Leiden: Brill, 2022. pp. 167-215 https://brill.com/downloadpdf/journals/mpyo/25/1/article-p167_9.pdf

Climate mobility to Europe: The case of disaster displacement in Austrian asylum procedures. Monika Mayrhofer and Margit Ammer

Frontiers in Climate, Volume 4, December 2022. doi: 10.3389/fclim.2022.990558

Das Team

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am LBI GMR habe ich die Möglichkeit, an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis zu aktuellen grund- und menschenrechtlichen Themen tätig zu sein. Dabei genieße ich neben der kollegialen Arbeitsatmosphäre besonders die internationale Ausrichtung des Instituts und den regelmäßigen Austausch mit internationalen Wissenschaftler:innen, Expert:innen und Partnerorganisationen.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und ProjektmanagerinMag.a Bernadette Fidler, LL.M.

Leitung

Univ.-Prof. Dr. Michael Lysander Fremuth

Wissenschaftlicher Leiter

Mag. Patricia Mussi-Mailer, MA

Administrative Leiterin

4
Key-Researcher:innen
4
Postdocs
6
PhD-Student:innen/Dissertant:innen
2
Diplomand:innen/Masterstudent:innen
4
Wissenschaftliche Fachkräfte
6
Wissenschaftliches Forschungspersonal
6
Administratives Personal
1
Sonstiges Personal

Partner

Universität Wien (AT)
Stand: Mai 2023

Wissenschaftlicher Beirat

Prof. Dr. Martina CaroniUniversität Luzern (CH)
Prof. Dr. Rainer HofmannUniversität Frankfurt (DE)
Prof. Dr. Vasilka SancinUniversität Ljubljana (SL)
Stand: Mai 2023

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